Forschung aus Düsseldorf Die rasante Karriere des Kaffees

Düsseldorf · Eine Düsseldorfer Historikerin hat die Geschichte des Heißgetränks erforscht – vom Luxusgut zum Massenprodukt.

Der Kaffee schuf eine neue Konsum- und Geselligkeitskultur, sagt Margit Schulte Beerbühl.

Foto: Georg Salzburg (salz)

Erst mal ein Tässchen Kaffee! Mit dem Muntermacher am Morgen beginnt der Tag, beim Frühstück zuhause oder im Becher to go, gefolgt vom Kaffee zum Kuchen, dem Espresso nach dem Essen – und überhaupt zwischendurch. Rund 170 Liter Kaffee trinkt der Durchschnittsmensch in Deutschland pro Jahr, mehr als jedes andere Heißgetränk, aber weit weniger als in anderen Ländern. Der Geschichte des Kaffees ist die Historikerin Margit Schulte Beerbühl, vom Institut für Neuere Geschichte der Uni Düsseldorf, gefolgt: ein durchaus heißes Thema für die Forschung.

„Kaffee war schon immer mehr als ein Nahrungsmittel, er schuf geradezu eine neue Konsum- und Geselligkeitskultur“, sagt die Wissenschaftlerin. Die Spuren lassen sich über 350 Jahre zurückverfolgen und führen nach Äthiopien, wo der Samen des wilden Kaffeestrauchs geerntet wurde. Über Vermittlung des Osmanischen Reichs wurden die schwarzen Bohnen im 17. Jahrhundert zum ersten Mal durch die niederländischen Handelsstädte an den Rhein transportiert. Ein Luxusgut, das der Adel bald aus feinen chinesischen Tässchen genoss. So begann die rasante Karriere des Kaffees. „Er ist eines der ersten global produzierten und vertriebenen Genussmittel“, so Margit Schulte Beerbühl.

Seine Zubereitung war allerdings eine Kunst, die Geduld erforderte. So riet 1696 der Chefkoch am Hofe des Herzogs von Orléans: „Um das Getränk zuzubereiten, gibt es Kaffeekannen aus Silber, Kupfer, Blech und sogar aus glasierter Irdenware. Man gibt in sie die Menge Wasser hinein, die man im Hinblick auf die zu servierenden Tassen für richtig hält. Man lässt dieses Wasser auf einem heißen Feuer ohne Flamme kochen, und wenn es ein bisschen kocht, gibt man seinen Kaffee hinein. Es ist notwendig, die Kanne abzudecken und das Getränk unter leichtem Rühren wieder auf das Feuer zu stellen und zehn oder zwölf Mal aufkochen zu lassen.

Früher erforderte die Kunst
der Kaffeezubereitung viel Geduld

Danach nimmt man die Kaffeekanne vom heißen Feuer und lässt die Flüssigkeit ruhen, damit sich der Kaffeesatz am Boden sammelt...“ Zehn bis zwölf Mal aufkochen, was würde der Maître dazu sagen, dass Menschen heute mit ihren Maschinen nur Sekunden bis zum Kaffeeglück brauchen?

Was einst reichen Genießern vorbehalten war, weckte bald die Begehrlichkeit auch der ärmeren Bevölkerung. Doch es sollte noch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts dauern, bis Kaffee zu besonderen Gelegenheiten in den bürgerlichen Wohnstuben getrunken wurde. Und nun hat die „Dröppelminna“ ihren Auftritt, eine Kaffeekanne, die meist auf drei Füßchen stand und mit einem Kran ausgestattet war, aus dem dann immer noch ein paar Dröppel (Tröpfchen) auf der feinen Tischdecke landeten. „Kaffee wurde bald so populär, dass er sogar Bier, das zu dieser Zeit häufigste Getränk, ablöste“, so die Historikerin.

Das schwarze Gebräu brachte vor allem ein neues gesellschaftliches Miteinander auf den Weg: das Kaffeekränzchen, zu dem sich die bürgerlichen Damen in ihren Häusern ungestört zum Plauderstündchen trafen.

Ein Besuch der Kaffeehäuser
war nur Männern vorbehalten

Denn ein Besuch der neuartigen Kaffeehäuser war ausschließlich männlichen Gästen vorbehalten, zum „Disputieren“, Kartenspielen, Zeitunglesen – heute würde man sagen: Das Kaffeehaus wurde zum kommunikativen Zentrum des (männlichen) Lebens. Auch in Düsseldorf, denn am Marktplatz eröffnete Johann Franz Lacomblet um 1760 neben seiner Gastwirtschaft das wohl erste Kaffeehaus der Stadt, das später von seinem Sohn fortgeführt wurde, erweitert um eine Fayencenhandlung.

„Lange Zeit blieb echter Bohnenkaffee ein teures Gut“, sagt die Historikerin. Und wurde deshalb oft ersetzt wie durch die Wurzel der Zichorie-Pflanze. Auch braute man aus gerösteten Bucheckern und Eicheln einen schwarzen Aufguss, der wohl nur sehr entfernt an Kaffee erinnerte. Und in manchen Zeiten, während der napoleonischen Besatzung und der Weltkriege, wurde Kaffee geschmuggelt oder war nur auf dem Schwarzmarkt zu bekommen, wo ein Pfund Bohnen (wie nach Kriegsende 1945) schon mal 1000 Mark kosten konnte.

Zurück ins 19. Jahrhundert, als sich das Kaffeehaus ins Café verwandelte. Und die Düsseldorfer Gesellschaft durch den Hofgarten lustwandelte, wo Kaffee und Kuchen lockten. Das Vordach des beliebten Cafés im Park zierte eine Ananas, die dem bescheidenen Hügel seinen Namen gab. Einige Jahrzehnte später schmückte sich Düsseldorf dann mit einer exotischen Attraktion: dem „Arabischen Café“ an der Graf-Adolf-Straße – einem orientalisch inspirierten Gebäude im „maurischen Stil“ mit Minarett und Kamelhockern als Sitzgelegenheit. Das Café wurde 1911 allerdings wieder geschlossen – und so verschwanden auch die „Beduinensklaven“, die den staunenden Gästen ihren Mokka serviert hatten.

Zur gleichen Zeit fand der Kaffee seinen Weg ins Freie. 1892 stellte der Betreiber des Café Central an der Kö den Antrag, Tische und Stühle aufs Trottoir zu stellen – und bekam tatsächlich eine Genehmigung, jährliche Miete: 200 Mark. Allerdings ließ sich die Obrigkeit ein Hintertürchen offen: „Sollte sich herausstellen, daß durch das draußen Hin- und Hergehen der servirenden Kellner die Passage gestört würde, kann die Gestattung jederzeit zurückgenommen werden.“ Wie wir heute wissen, sollten dieser „Gestattung“ unzählige weitere in ganz Düsseldorf folgen – für den allzeit möglichen Kaffeegenuss.