Geschichte erleben in Düsseldorf Spuren der NS-Zeit im Stadtbezirk 6

Düsseldorf · Der Stadtführer für den Bezirk 6 erinnert an elf Stationen an die Opfer der NS-Verfolgung, aber auch an den mutigen Widerstand.

Sinti auf dem Heinefeld in Unterrath. Die Siedlung wurde 1935 brutal geräumt, einige Sinti in das KZ Dachau verschleppt.

Foto: Mahn- und Gedenkstätte

Der Düsseldorfer Karlrobert Kreiten war ein hochbegabtes musikalisches Ausnahmetalent, schon im Alter von zehn Jahren spielte er Konzerte in der Tonhalle. Doch der Musiker wurde nicht alt. Im Alter von nur 26 Jahren wurde der Pianist 1943 festgenommen und später wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt. Er hatte sich einer Nachbarin gegenüber regimekritisch geäußert und wurde denunziert. Sein Schicksal, aber auch das von anderen Verfolgten, soll nicht in Vergessenheit geraten und wurde deshalb in der neuen Broschüre „Spurensuche(n). Die NS-Zeit im Stadtbezirk 6“ aufgenommen. 

Erstellt wurde diese von der Mahn- und Gedenkstätte im Auftrag der Bezirksvertretung 6, die dafür rund 4600 Euro bereitstellte. „Bislang haben Informationen aus der NS-Zeit für unseren Stadtbezirk gefehlt. Es war nicht bekannt und sichtbar, wo Menschen beispielsweise gelebt haben, die verschleppt oder ermordet wurden oder die im Widerstand tätig waren“, sagt Bezirksbürgermeisterin Birgit Schentek. Sie hatte deshalb Kontakt mit dem Leiter der Gedenkstätte Bastian Fleermann aufgenommen und dabei entstand die Idee zur Broschüre.

Die Mahn- und Gedenkstätte-Mitarbeiterinnen Özlem Yilmaz und Hafida Seghaoui haben dafür intensiv recherchiert und eine rund 14 Kilometer lange Route mit elf Stationen entwickelt. Vom Heinefeldplatz im Westen bis zur ehemaligen Reitzensteinkaserne im Osten führt der Weg vorbei an historischen Orten, an Stolpersteinen oder Straßen, die nach wichtigen Personen benannt wurden. „Wir haben dabei viel mehr entdeckt, als wir anfangs angenommen haben“, sagt Fleermann. 

Die erste Station am Heinefeldplatz beispielsweise erinnert an die „wilde Siedlung Heinefeld“, in der zahlreiche Sintifamilien lebten, die vom Maler Otto Pankok porträtiert wurden. Dort steht ein Gedenkstein, der an Pfarrer Matthias Beckers erinnert. Er hatte sich unermüdlich für die Sinti, Roma und Obdach- und Arbeitslosen, die im Heinefeld lebten, eingesetzt. Beckers, der öffentlich von der Kanzel die Politik der Nazis anprangerte, wurde 1940 festgenommen und ausgewiesen. Er überlebte den Krieg in Breslau und kehrte 1945 in seine alte Gemeinde zurück.

Der Rundgang ist in zwei Teile aufgeteilt, die unabhängig voneinander besucht und auch gut mit dem Fahrrad abgefahren werden können. Die Mahn- und Gedenkstätte wird zudem geführte Touren anbieten. „Wir können dann noch viele zusätzliche Informationen mitteilen, die aus Platzmangel nicht mehr in die Broschüre aufgenommen werden konnten“, sagt Yilmaz.

Damit die Rundgänge auch bei Jugendlichen gut ankommen, wurden bereits Führungen mit Schülern des Friedrich-Rückert-Gymnasiums getestet. Die Rather Schule setzt sich schon länger und intensiv mit der NS-Zeit auseinander, bietet zum Beispiel Fahrten nach Auschwitz an und erarbeitet zurzeit die Informationen für weitere Stolpersteine für Rath.

Birgit Schentek und Bastian Fleermann sind sich darin einig, dass die Broschüre den Auftakt zu weiteren Projekten bilden soll. „Schentek könnte sich dafür etwa den Einsatz von Stelen, Hinweistafeln oder Skulpturen vorstellen. Fleermann macht den Mangel an Hinweisen am Beispiel des Künstlers Otto Pankok deutlich: „Es ist doch eine sehr spezielle Konstellation gewesen, dass ein bekannter Künstler sich einer Minderheit annimmt und diese noch in seinen Werken festhält. Und davon ist hier nichts zu sehen.“