Gedenken Schüler folgen den Spuren der jüdischen Nachbarn in Düsseldorf-Oberkassel

Düsseldorf · Das Schicksal einer jüdischen Oberkasseler Familie, die nach der Pogromnacht 1938 immer mehr verfolgt und schikaniert wurde, haben Schüler der Carl-Benz-Realschule bei einem Gedenkgang nachgezeichnet. Unterstützt hat sie dabei ein Enkel des ermordeten Paares.

In Oberkassel schlossen sich viele Menschen dem Gedenkgang der Schüler auf den Spuren der Meyers an.

Foto: Georg Salzburg (salz)

Sie trugen ein gelbes Banner mit der Aufschrift November- Pogrom und große Schwarz-Weiß-Porträts der Menschen, zu deren Adressen sie am Mittwochabend ein Gedenkgang führte. Den Schülerinnen und Schülern der Carl-Benz-Realschule folgten am Vorabend des Jahrestags der Pogromnacht von 1938 auch viele Bürger. Und ein Enkel der Mayers.

Das biografische Gedenken haben die Schüler gut vorbereitet. „Wir haben dazu erst Fotos geschaut und Informationen bekommen“, berichtet Elias. Mitschüler Umermaeem ergänzt: „Wir haben Einblicke bekommen, wie die Familie lebte. Unsere Schule ist ja auch hier, man fühlt es dann anders.“ An vier Stationen ließen die Jugendlichen die Familiengeschichte aufleben, zitierten aus den Briefen von Otto und Paula Mayer, die im Haus Adalbertstraße 32 gelebt haben. „Wir wollten im Rahmen des Gedenkens die Familiengeschichte der Familie Mayer, die in Oberkassel lebte, in den Blick nehmen“, erklärt Jona Winstroth, Mitarbeiter der Mahn- und Gedenkstätte, das Konzept.

Gemeinsam mit den jungen Menschen lief auch der Enkel der Mayers mit durch die dunklen, regnerischen Straßen. „Ich mache das wegen der Jugendlichen. Ich merke, dass meine Anwesenheit etwas bewirkt, denn die Geschichte wird so für sie lebendig“, sagte Thomas Mayer. Er hatte den Jugendlichen schon im Vorfeld viele Fragen zu seiner Familiengeschichte beantwortet.

Jahrzehntelang hat er den Nachlass seiner Familie aufbewahrt, bevor er ihn der Sammlung der Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte übergab. Neben zahlreichen Familienfotos und amtlichen Dokumenten enthält er auch einen in seiner Ausführlichkeit beeindruckenden Briefwechsel insbesondere zwischen Thomas Mayers Vater Erich und dessen Eltern Otto und Paula. „Es ist für mich sehr schön, denn es ist sinnvoll diese Briefe mit den jungen Menschen zu teilen“, sagt er über die Zusammenarbeit mit der Carl-Benz-Realschule. Als sein Vater 1990 starb, hat Mayer den Nachlass aufgearbeitet – auch für den Geschichtsunterricht seiner eigenen Söhne.

Beim Rundgang in Oberkassel lasen die jungen Menschen Passagen aus der Familiengeschichte der Mayers vor, die durch die Anwesenheit des Enkels ganz nah war: „Seine Großeltern Paula und Otto Mayer gingen regelmäßig mit ihrem Hund in Oberkassel am Rhein spazieren, sein Onkel Kurt besuchte das Comenius-Gymnasium, seine Eltern Brunhilde und Erich heirateten hier am 24. Dezember 1931.“

Mehrmals ist die Familie in Oberkassel umgezogen. „Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten spürte auch die Familie Mayer die zunehmende Diskriminierung auch mit dem Ausschluss aus Sportvereinen und Anfeindungen im eigenen Geschäft oder den Straßen Düsseldorfs“, zitierte ein Schüler aus einem Text. Durch einen glücklichen Zufall – der lokale Parteiverantwortliche war auf einer privaten Feier und hatte die bereits vorbereitete Adressliste eingeschlossen – begannen in Oberkassel die Überfälle auf die jüdische Bevölkerung deutlich später. Zutiefst geschockt von der Gewalt und Zerstörung stand das Paar in den Tagen danach befreundeten Familien bei. Und bekam selbst noch im November die Kündigung für die Wohnung. Der jüngere Meyer-Sohn Kurt erlebte das Pogrom in Berlin. Von dort gelang ihm kurz nach Kriegsbeginn die Auswanderung nach Palästina. Der ältere Sohn Erich war mit seiner Frau Brunhilde zu dieser Zeit bereits in die Schweiz ausgewandert. Fieberhaft versuchte er von dort, seine Eltern bei dem Versuch zu unterstützen, ins rettende Ausland zu emigrieren. Ohne Erfolg. Am 20. Juli 1942 wurden Otto und Paula Mayer in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie haben nicht überlebt.

Ihr Enkel Thomas kam 1968 beruflich nach Düsseldorf: „Meine Eltern waren keine Rächer, die haben immer sehr gut über Düsseldorf gesprochen“, sagt er. Aber sie selbst blieben bis zum Tod in der Schweiz. Die Mutter kam einmal, der Vater zweimal zu Besuch. „Er hat auch geklingelt, da wo er gewohnt hatte“, erinnert sich Thomas Mayer. „Mein Vater hat nachts oft geschrien, er hatte ein Trauma von der Verfolgung, niemals wäre er zurückgegangen.“ Auch deshalb ist dem Sohn heute die Zeitzeugenarbeit wichtig.