Projekt an 15 Düsseldorfer Schulen Demokratie unter Druck – wie Schüler die wachsende Polarisierung erleben

Düsseldorf · Die politische Polarisierung macht vor den Schulen nicht halt. Mit einem neuen Projekt will die Bürgerstiftung das Verständnis für die Grundwerte der Demokratie stärken. Anlass ist die Zunahme von Hass und Rassismus.

Gemeinsam sind wir stark: Im Goethe-Gymnasium ging es um die Demokratie. Mit dabei: Chau (im pinken Shirt) und Felix (r. daneben).

Foto: Anne Orthen (orth)

Die Demokratie steht unter Druck. Der Ton ist – insbesondere in den Sozialen Netzwerken – rau, die Toleranz dagegen häufig gering. Und die Bereitschaft, Parteien an den äußeren Rändern des Spektrums zu wählen, scheint über die lange Strecke gesehen immer weiter zu wachsen. Doch was macht all das mit Heranwachsenden, die gerade in die politische Debatte hineinwachsen? Wie kann man ihre Verwurzelung in der Demokratie stärken? Ein neues Schulprojekt der Bürgerstiftung Düsseldorf an zunächst 15 Standorten setzt genau hier an. Den Auftakt machte jetzt das Goethe-Gymnasium mit zwei Projekttagen. Das Ziel: Schüler sollen befähigt werden, Politik aktiv und wertschätzend mitzugestalten.

Die Polarisierung

„Ich habe in Berlin im Bundestag ein Praktikum gemacht. Dort wurde uns gesagt, dass wir den Bundestagsausweis am besten erst am Gebäude aus der Tasche herausholen und zeigen sollen“, sagt Chau aus der 10 d in einer Projektpause. Der Grund, den man der Düsseldorferin nannte: Manchmal löse es Aggressionen aus, wenn Passanten einen öffentlich getragenen Parlamentsausweis entdeckten. Die 16-Jährige hat diese Ansage irritiert, denn bislang hatte sie nicht damit gerechnet, dass es riskant sein könnte, einen Ausweis des demokratisch gewählten Parlaments am Revers zu tragen. Dass die Polarisierung auch vor den Schulhöfen nicht halt macht, kann Felix aus der 10 d aus eigener Erfahrung berichten. So sei zuletzt eine Kontroverse mit einem Mitschüler, der für die AfD sei, „rasch sehr emotional geworden und auch etwas eskaliert“. Heute gehen sich die beiden aus dem Weg, denn die Einschätzungen liegen am Ende doch so weit auseinander, dass Felix den Streit inzwischen lieber vermeiden möchte. „In unserem Sportverein ist es inzwischen so, dass es die klare Ansage gibt, dort gar nicht über Politik zu sprechen“, fügt er noch an.

Dass Schüler, die rechtspopulistische Politikansätze gut finden, das inzwischen ganz offen kommunizieren, können alle Schüler bestätigen. „Manche glauben, sie wären dadurch irgendwie cool und sagen dann, dass ihre eine Stimme ja eh nicht wirklich zähle, ein paar sehen es sogar als eine Art Gag“, meint Clara. Die 16-Jährige findet eine solche Einstellung nicht in Ordnung. „Am Ende kann das dann alles ganz schnell ziemlich ernst werden.“

Die Fake News

Ein Punkt, der die Zehntklässler umtreibt, ist die Flut falscher oder halb-wahrer Nachrichten auf Tiktok, Youtube und anderen Kanälen, ohne die sich viele Jugendliche den Alltag kaum noch vorstellen können. Man könne auf diesen Kanälen und im Netz fast nichts mehr glauben. Offenbar gebe es jede Menge Menschen, deren einzige Aufgabe es sei, falsche Nachrichten zu produzieren, meint einer der Gymnasiasten. Raphael (15) ist froh, dass er zuletzt in Erdkunde und Politik Tipps bekommen hat, „wie ich korrekte Schlagzeilen von Sachen unterscheiden kann, die nur dazu da sind, Leute massiv zu verunsichern“. Und Clara appelliert an die Eigenverantwortung der Heranwachsenden: „Man muss halt schauen, ob beispielsweise der Browser sicher ist, ob eine Website voll von Fehlern und allein schon deshalb unsolide ist oder ob man im Zweifel nicht doch lieber die Tagesschau-App anschaut.“

Die Projektidee

Mit dem vom Verein „Helden“ vor Ort umgesetzten Demokratieprojekt reagiert die Bürgerstiftung auf den ihrer Einschätzung nach zunehmenden Hass, auf Rassismus und Rechtsextremismus. Ausgewählt wurden die 15 Schulen vom Regionalen Bildungsbüro des Amtes für Schule und Bildung. „Wir haben das Projekt auch deshalb ins Leben gerufen, weil wir in unserer Arbeit immer wieder mit dem Begriff ‚Alltagsrassismus‘ konfrontiert werden. Den empfinden Schüler mit Migrationshintergrund, wenn sie beispielsweise nach ihrer ‚eigentlichen Herkunft‘ gefragt werden. Darüber möchten wir aufklären“, meint Sabine Tüllmann, Vorsitzende der Bürgerstiftung. Die Notwendigkeit, Demokratie einzuüben, unterstreicht auch Schuldezernent Burkhard Hintzsche. „Was früher selbstverständlich war, ist es heute nicht mehr. Die Zeit ist definitiv reif für ein solches Projekt. Es soll und wird euch stärken in der Wahrnehmung von Verantwortung“, gab er den Zehntklässlern mit auf den Weg.

(jj)