Stadt-Teilchen Haus Niederrhein: Vom Niedergang einer Tradition
Düsseldorf · Hier wurde unser Autor als Kind noch vom Weihnachtsmann beschenkt. Aber das ist wirklich lange her.
An der Wand steht es noch ganz groß in inzwischen blassgrüner Schrift: Haus Niederrhein. Darunter sieht man das Abbild eines Altstadthauses und daneben Werbung für eine Biermarke, die in der Stadt kaum noch jemand kennt, von der keine meiner Vertrauenspersonen weiß, ob es sie noch gibt: Gatzweilers Alt.
Alles alt an dieser Wand, nur ganz unten an der Fassade haben sich bis in die Höhe, in die man sich recken kann, ein paar Sprayer verewigt, haben lustig gemeinte Phantasietierchen und irgendwelche verbogenen Klötzchen an die Wand geschmiert. Nebendran surrt der Verkehr der Bilker Allee und kümmert sich einen Dreck darum, dass es das Haus Niederrhein, so wie wir es kannten, schon lange nicht mehr gibt.
Auch die Tage der Fassadenwerbung, die jetzt noch vom Schwinden einer einst bedeutenden Institution zeugt, dürften gezählt sein, schließlich haben sich Architekten längst des großen Parkplatzes zwischen Bach- und Elisabethstraße und Bilker Allee angenommen und Wohnungen geplant, die über kurz oder lang den Schriftzug unsichtbar machen dürften. Dann ist endgültig Schluss mit dem Haus Niederrhein.
Ich habe den Niedergang der Traditionsgaststätte schon eine Weile mit Wehmut verfolgt. Es gab den Versuch, den traditionellen Geist der Lokalität wiederzubeleben, und auch ein „Mexikaner“ hat es mal versucht. Hat aber alles nicht so wirklich viel gebracht. Schon nach vergleichsweise kurzer Zeit gingen die Jalousien wieder runter, und es wurde nach einem neuen Pächter gesucht.
Inzwischen hat man das wohl aufgegeben, denn der eigentliche Eingang der Kneipe ist keiner mehr. Da kommt wohl auch nichts mehr. Vorbei die Zeiten, da man sich im Haus Niederrhein traf, da man dort Tradition pflegte.
Ich habe eine ziemlich sentimentale Verbindung zum Haus Niederrhein, denn als ich ein kleiner Junge war, fanden hier regelmäßig die Weihnachtsfeiern der Rheinbahnkapelle statt.
Mein Vater hat lange als Straßenbahnfahrer gearbeitet und nebenan in der Betriebskapelle das Schlagzeug und die dicke Trumm bedient. Da war es Tradition, die Kinder vor dem Fest zu beschenken. Ich weiß nicht mehr, was ich dort geschenkt bekam, aber ich weiß, dass ich immer sehr viel Ehrfurcht vor dem dort auftretenden Weihnachtsmann oder Nikolaus hatte.
Dieser Respekt ist über all die langen Jahre nicht gewichen, und so ist meine erste Assoziation, die mich an der Bilker Allee, Ecke Kronenstraße beschleicht, die vom gestrengen Rutenträger. Ich kann noch genau die gemischten Gefühle abrufen, die mich beschlichen, wenn ich aufgerufen wurde.
Die Lust auf Geschenke mischte sich dann mit der Furcht vor dem gestrengen Gesellen da vorne. Meine Eltern fanden das naturgemäß ein bisschen lustig, wie sich der Kleine da ängstigte. Man nahm die Pflege einer Kinderseele damals nicht so ernst.
Als ich älter wurde, war das mit den Weihnachtsfeiern im Haus Niederrhein dann kein Thema mehr, aber trotzdem blieb meine aus Furcht und Faszination gespeiste Verbindung bestehen, weshalb ich mich immer dafür interessiert habe, wenn es mal wieder ein Lebenszeichen in diesem großen Gebäude gab.
Heute wird dort nur noch still gearbeitet und brav gewohnt. Nur an der Ostwand ist halt immer noch der große grüne Schriftzug zu lesen.
Es war wohl all die Jahre zu teuer, hier ein Gerüst aufzustellen und die Beschriftung mal zu aktualisieren. Wird ja eh bald zugebaut, hat man sich wohl gedacht. Was man sich halt so denkt. „Düsseldorfer Männer-Quartett 1896“ steht auf einer Marmortafel, die gemahnt, dass hier einst auch jenseits der Rheinbahnkapellenweihnachtsfeiern Notenpflege betrieben wurde.
In Höhe des zweiten Stocks beherrscht an der Bilker-Allee-Seite zwischen bullaugenartigen Fenstern ein ziemlich grimmig dreinblickender Adler ein grünes Dreieck, das die Buchstaben FVN trägt. Damit konnte ich lange nichts anfangen, bis mir kürzlich mal ein kluger Anwohner flüsterte, dass hier wohl sehr lange der Fußballverband Niederrhein residierte. Von dem aber findet sich auf den Klingelschildern keine Spur mehr.
So viel ist Geschichte an diesem Haus, und so wenig ist noch Gegenwart. Fast wirkt dieser Klotz wie ein Dinosaurier, der den großen Auftritt aufgegeben hat, der nur noch darauf wartet, dass sich was ändert. Spätestens wenn die neuen Häuser auf dem Parkplatz nebenan stehen, wird das Haus Niederrhein noch ein wenig älter wirken als es ohnehin schon ist.
Ich werde das im Auge behalten und schauen, dass dem Haus nichts Gravierendes passiert. Schließlich wohnte für mich dort mal der Weihnachtsmann.