Stadt-Teilchen Wirklich gutes Autokino mit Blick auf den Rhein

Düsseldorf · Unser Autor hat Parkhaus-Decks ausprobiert, aber an der Rheinterrasse ist es optimal mit dem Auto-Kino.

 Mit Jazz am Rhein ganz entspannt in den Feierabend grooven: So stellt sich das unser Autor vorl.

Mit Jazz am Rhein ganz entspannt in den Feierabend grooven: So stellt sich das unser Autor vorl.

Foto: ja/hoff

Alle fahren jetzt ins Autokino. Wer eine der raren Karten für die Ereignisse dort ergattert, zählt zu den Glücklichen. Film egal, Hauptsache mal raus. Da kann man sich dann auch mal ein Konzert von Brings anschauen. Kürzlich wurde ein solches vom WDR aus einem Autokino übertragen, und es war, vornehm gesagt, eine ausbaufähige Angelegenheit. Die Musiker rackerten sich auf der Bühne wacker ab und sprachen in den Liedpausen zu rund 500 Autos, die ihre Gunst per Hupkonzert und Lichtzeichen bezeugten. Kann man machen, wie man so vieles in diesen Zeiten einfach mal machen kann, wenn es zu machen ist, aber der ganz große Bringer waren Brings dann doch nicht.

Ich habe keine Karte fürs Autokino ergattert, was vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass ich mich nicht um eine bemüht habe. Ich bin nämlich schon früh auf die Idee gekommen, dass ich diese organisierte Aktion auf großem Gelände gar nicht brauche. Ich habe täglich Autokino, und das Beste daran ist, dass ich den Film bestimme.

 WZ-Kolumnist

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Foto: NN

Kürzlich erst habe ich in meinem Autokino einen Agentenfilm gesehen. So einen richtig tollen mit Suspense und verhuscht-verwischten Aufnahmen und toller Musik. In einer Szene wurde man mitgenommen in ein Parkhaus. Es war ein etwas angejahrtes Parkhaus, eines von denen, in denen Fahrer von SUV Schweißausbrüche bekommen, weil die Durchfahrten so eng sind.

Das machte dem Held in meinem Film indes nichts aus. Er kurvte schnittig durch die gestapelte Betongruft, erklomm Ebene um Ebene. Es war Nachmittag, einer von diesen endlosen Corona-Nachmittagen, was sich spiegelte in der Tatsache, dass spätestens ab Ebene fünf kaum noch parkende Autos im Weg standen, was die Fahrt meines Helden natürlich unwillkürlich beschleunigte. Heissa ging es da um die Kurven, und nicht nur einmal passten zwischen Betonwand und Autoblech höchstens zwei Haare.

Es war wie auf der Kirmes, die ja wohl in diesem Jahr nicht der Spaß werden wird, den man sich erhofft hat. Es gab Power und Nervenkitzel und dieses Spindelgefühl, das sich ergibt, wenn es im Parkhaus immer nur in eine Richtung rund geht.

Irgendwann ist der Held dann ganz oben angekommen. Ein Menschen- und blechleeres Parkdeck unter freiem Himmel. Direkt daneben ein riesenhaftes Hochhaus, in der Ferne die Wahrzeichen der Stadt. Die klassische Szene, in der sich der Held mit einem Informanten trifft, der dann kurz danach von einer Kugel getroffen wird. Er wusste zuviel.

Dazu erklangen die Klänge des Propaganda-Hits „Dr. Mabuse“, den man aus den 80ern kennt und den der selige Bodo Staiger 2007 neu eingespielt hat. Düstere Maschinenklänge und eine Stimme, die zwischendrin unheilschwanger verlangt, man möge „Ihm“ die Seele verkaufen. „Kein Zurück für dich“, heißt es, und an Dramatik war das alles nicht zu überbieten.

Zugegeben, es gibt diesen Agentenfilm nicht. Es gab ihn aber. Am Mittwochnachmittag gab es ihn, exklusiv in meinem Kopf, und ich habe ihn gesehen durch die von Fliegendreck verschmierte Scheibe meines Autos. Tatort Luisenstraße, Parkhaus ganz oben, direkt neben dem LVA-Hochhaus. Der Rheinturm, das Mannesmannhochhaus und die Kniebrücke bildeten dazu die passende Skyline. „Sell him your Soul“, das war kurz der mörderische Imperativ meines persönlichen Autokinos, und der imaginäre Held im Parkhaus, das war natürlich ich.

Zugegeben, die Einrichtung war nicht ganz einfach gewesen. Ich hatte mehrere Parkhäuser mit Parkplätzen auf dem Dach abklappern müssen. Erst habe ich es im Kaufhof an der Oststraße versucht, aber da bin ich in Parkebene 5 an einem Flatterband gescheitert, das mir die Auffahrt bis Ebene 9 und damit in die Freiluftzone verwehrte.

Zwei Ecken weiter an der Kreuzstraße kam ich immerhin bis ganz oben, musste aber feststellen, dass die Aussicht da nicht ganz so grandios ausfiel. Eine Umgebung aus lauter Verwaltungsgebäuden, über die sich schüchtern die Spitze der Johanneskirche erhob, war nicht zur nachhaltigen Inspiration angetan. Allenfalls einen verhuschten Kurzfilm von Wim Wenders hätte ich mir dort herbei phantasieren können.

Ähnlich erging es mir auf dem Dach des Parkhauses an der Stresemannstraße. Da ist viel Weite, viel Beton, aber wenig, was den Geist anregt. Da sollte man wohl eher hochdüsen, wenn es dämmert. Krimis spielen ja ohnehin oft im Dunkel, weil Dreharbeiten vor Düsternis viel Geld bei der Ausstattung ersparen. Den Rest erledigt man dann im Schnitt.

Ich probierte es mit Bodo Staigers „Dreiklangsdimensionen“ und stellte mir vor, wie in meinem persönlichen Autokino die Kamera über die Dächer schwebt, wie sie die Dachgeschosswohnungen inspiziert. Was man hier wohl um Mitternacht so alles sehen und erleben kann? Hoch oben im Parkhaus.

Irgendwann merkte ich dann, dass es wieder Zeit für Bodenhaftung war. Ich hatte genug vom Krimi. Mir war plötzlich mehr nach Erbauung, nach Entspannung. Ich fuhr runter zu den Rheinterrassen und sicherte mir einen Logenplatz an der Rheinfront. Wow! Was für eine Kulisse! Das war beinahe zu schön, und wäre ich von Beruf Kritiker, hätte ich diese pittoreske Szenerie wohl rasch als kitschiges Feelgood-Filmchen aus der Rama-Werbung-Klasse denunziert.

Aber ich war ja in diesem Moment kein Kritiker. Ich war Regisseur, Produzent und Veranstalter in meinem persönlichen Autokino. Ich sah die Sonne sinken, ich beobachtete Pärchen beim Plauschen, ich zählte Schiffe, drei bergauf, vier bergab. Ich groovte mich hinein in einen Film, in dem es kein direktes Happy End gab, in dem der Held aber am Ende sehr zufrieden mit sich war und sich eine ordentliche Portion Tiefenentspannung gönnte.

Ich schob „Palanga“ in den CD-Spieler, die neue Platte des formidablen Oberkassler Jazz-Schlagzeugers Peter Weiss. Sofort hob ich ein wenig ab. Sich fein windende Bläser, ein perlendes Piano und kunstvoll hingetupfte Beckenklänge brachten mich zur Ruhe. Ich gab mich ganz dem Klang hin. Ich überließ Peter Weiss die Regie in meinem Film. Ich ließ mich treiben und nahm eines der Schiffe, das mit dem Brummen seiner Motoren den Boden unter meinem Vehikel beben ließ, als willkommene Zusatzimprovisation.

Feine Bilder, feines Abendlicht aus ermattender Sonne und eine von alten Wischern verschmierte Scheibe, dazu exzellente Musik und ein überentspannter Zuschauer mit ein bisschen viel Phantasie, das ist der Mix, aus dem wirklich gutes Autokino gemacht wird. Demnächst vielleicht auch in Ihrem ganz persönlichen rollenden Theater.