Mieten „Wohnen bleiben im Viertel“: Düsseldorfer Initiative will Schutzsatzung gegen hohe Mieten für 13 Wohngebiete

Düsseldorf · Immer öfter verlieren Menschen in Düsseldorf ihr Zuhause, weil sie sich die rasant steigenden Mieten nicht mehr leisten können. Ein Bündnis will nun per Bürgerentscheid unter anderem eine Milieuschutzsatzung durchsetzen. Doch daran gibt es auch Kritik.

Die Anwohner der Bunsenstraße 12 haben im Mai 2019 auf ihre Lage aufmerksam gemacht.

Foto: Carolin Scholz/Carolin ScholzCarolin Scholz

Die Geschichte der Mieter an der Bunsenstraße 12, die im Mai vergangenen Jahres für Aufsehen sorgte, ist beispielhaft für eine Verdrängung von langjährigen Bewohnern eines Quartiers durch steigende Mieten. Sie gab der Debatte plötzlich ein Gesicht, nein, mehrere Gesichter. Ein Mietshaus, das jahrelang in Privatbesitz war und in die Jahre gekommen ist, wird von einem Investor gekauft, der das Objekt dann nicht in Stand setzt sondern, und diese begriffliche Unterscheidung ist wichtig, modernisiert – und dann kann er die Miete (in manchen Fällen drastisch) anheben. Die Bewohner wiederum können sich die Wohnung nicht mehr leisten, müssen ihr Viertel verlassen. Denn neue, solventere Mieter folgen. Ein weiteres Problem in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten: Mietwohnungen werden nur deshalb in Eigentumswohnungen umgewandelt, um sie möglichst profitabel zu verkaufen. Und oft werden Eigenbedarfsanmeldungen dafür nur vorgeschoben.

Diese Fälle häufen sich auch in Düsseldorf immer mehr, sagt Hans-Jochem Witzke, der Vorsitzende des Mietervereins, mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre. Um der Gentrifizierung etwas entgegenzusetzen, will er gemeinsam mit einem Zusammenschluss von mehreren Institutionen der Stadt jetzt das Bürgerbegehren „Wohnen bleiben im Viertel“ an den Start bringen. Das Ziel: Ein Bürgerentscheid, der die Stadtverwaltung zur Schaffung einer Schutzsatzung für 13 Wohngebiete zwingt.

Die Satzung Die Schutzsatzung beinhaltet erstens eine sogenannte Milieuschutzsatzung (nach § 172 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 Baugesetzbuch), die es auch schon in anderen Städten gibt. Und sie bedeutet: Umbauten, Abrisse und Modernisierungen und auch das Umwandeln von Miet- in Eigentumswohnungen in den entsprechenden Gebieten soll genehmigungspflichtig werden. Zweitens soll die Stadt durch diese Satzung Gebrauch von ihrem Vorkaufsrecht machen können. Der Zusammenschluss aus Bündnis für bezahlbaren Wohnraum, Caritasverband, DGB, Diakonie, Asta der Hochschule, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Katholikenrat, Katholische Arbeiter-Bewegung, Mieterbund, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Sozialdienst katholischer Frauen und Männer, Verdi und Zakk sieht darin ein „probates Mittel“, um der Verdrängung von Bewohnern aus ihrem Viertel entgegenzuwirken. Es könne nicht sein, dass Luxussanierungen und andere Geschäfte mit Immobilien den Bürgern ihr Zuhause nehme, so Rudi Voller vom Katholikenrat und SKFM, der auch Vertretungsberechtigter des Bürgerbegehrens ist. Deshalb sei die Kontrolle durch eine Genehmigunsgpflicht nur sinnvoll. Im Übrigen bediene man sich damit nur geltender rechtlicher Möglichkeiten, die andere Städte wie Köln oder Münster in NRW oder auch München bereits erfolgreich eingeführt hätten.

Der Weg dorthin Das Bündnis will folgendermaßen vorgehen: 16 000 Unterschriften sollen gesammelt werden, diese werden dann dem Düsseldorfer Stadtrat vorgelegt. Bei mindestens 14 130 gültigen Unterschriften müsste dieser dann entscheiden, ob das Bürgerbegehren zulässig ist oder nicht – inhaltlich sollen die Politiker nicht entscheiden. Trotz der Positionen der CDU- und FDP-Fraktionen im Rat, von denen eine Befürwortung dieses Themas zumindest nicht zu erwarten ist, sieht Bezirksbürgermeister Marko Siegesmund (SPD) diesen Schritt dann lediglich als formalen Akt – mit genügend Unterschriften soll also zumindest der Bürgerentscheid beschlossene Sache sein.

Dann muss die Wahl gestemmt werden: Idealerweise ließe sie sich mit der Kommunalwahl im September zusammenlegen, dann müsste keine separate Wahl mit Wahlhelfern und Wahllokalen organisiert werden. Die Frage ist, ob bis dahin genügend Unterschriften zusammengekommen sind. Das Bündnis kann so lange sammeln, wie es will, eine zeitliche Begrenzung gibt es nicht. Jedoch wartet die Initiative noch auf eine Kostenschätzung der Stadt für das Vorhaben, die eigentlich Ende November vorliegen sollte. Erst dann kann mit der Unterschriften-Aktion begonnen werden.

Die Wohngebiete Das Bürgerbegehren will eine Schutzsatzung für folgende Orte: Lichtenbroich; Rath/Mörsenbroich; Heerdt West; Stadtmitte Ost; Flingern Süd/Oberbilk; Flingern Nord Ost; Bilk/Bilker Kirche; Gerresheim Süd; Friedrichstadt/Unterbilk Ost; Lierenfeld Süd/Eller Nord; Wersten Süd/Holthausen; Hassels Nord/Reisholz Süd und Garath. Die Wohngebiete wurden auf Grundlage einer Untersuchung „Quartier Zukunft Düsseldorf“ der Stadt ausgewählt, in der für diese Gebiete eine besonders hohe sozialdemografische Herausforderung festgestellt wurde. Will heißen: Hier sind starke Mieterhöhungen besonders wahrscheinlich und treffen besonders viele Menschen, die finanziell nicht mithalten könnten.

Probleme Ein häufiger Kritikpunkt an einer Milieuschutzsatzung ist etwa der, dass viele Änderungen an Häusern oder Eigentumsverhältnissen genehmigungspflichtig werden und damit ein hoher verwalterischer Aufwand einhergeht. Auch wenn es derzeit keine Erkenntnisse darüber gibt, wie viele Modernisierungen/Umwandlungen in Eigentumswohnungen es in den entsprechenden Gebieten gibt, so hält das Bündnis den Aufwand für „überschaubar“. Dennoch hat beispielsweise München für die Bearbeitung der Milieuschutzsatzung zusätzliches Personal bereitgestellt. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass mit der Satzung auch wichtige Investitionen in die Immobilien der Stadt, etwa bei Energieeffizienz oder Barrierearmut, gehemmt und verhindert werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin hatte in ihrem Jahresbericht für 2017 beispielsweise eine „nachhaltig dämpfende Wirkung auf das Umwandlungsgeschehen“ durch die Milieuschutzsatzung festgestellt.

Ben Klar (Linke), ebenfalls Vertretungsberechtigter des Bürgerbegehrens, betont jedoch, dass es sich um keine Verbotssatzung handele, lediglich das Verfahren ändere sich. Schließlich gehe es darum, die nicht verhältnismäßigen Modernisierungen oder vorgeschobenen Eigenbedarf zu stoppen, nicht die Entwicklung der Stadt. Eher skeptisch äußert sich Andreas Hartnigk (CDU), der Vorsitzende des Bauausschusses. In einer Stadt wie Düsseldorf brauche es Durchmischung und Weiterentwicklung, er sieht unter anderem die Gefahr, dass Investoren mit der Satzung die Möglichkeit zu sinnvollen Modernisierungen und entsprechenden Mietanpassungen genommen wird.