Interview Die Linke: „Wir müssen genau überlegen, ob wir einen eigenen OB-Kandidaten aufstellen“

Düsseldorf · Die Fraktionsvorsitzenden der Linken, Angelika Kraft-Dlangamandla und Lutz Pfundner, sprechen über die Kommunalwahl 2020, das Schöne der Oppositionsrolle und ihren möglichen Abschied.

Lutz Pfundner und Angelika Kraft-Dlangamandla im Café Europa am Rathaus.

Foto: Christian Herrendorf

Gut ein Jahr vor der Kommunalwahl führen wir Interviews mit den Fraktionsspitzen von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken. Wir starten mit der kleinsten Partei, die bei der Stadtratswahl 2014 auf 5,2 Prozent der Stimmen kam.

Wenn wir von hier aus zum Rathaus blicken, sehen Sie den Weg, den Sie schon immer nehmen, um in die Opposition zu gehen. Stört Sie das?

Angelika Kraft-Dlangamandla: Das stört mich überhaupt nicht. Opposition finde ich eigentlich ganz gut. Man treibt die anderen mit seinen Ideen und Themen vor sich her. Wir wären nur gerne eine größere Opposition. Wir müssen uns mit vier Leuten in die Themen aller Fachausschüsse einarbeiten.

Lutz Pfundner: Aber wir müssen keine blöden Kompromisse machen und müssen uns nicht anpassen.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie nach der Kommunalwahl 2020 auf diesem Weg wieder in die Opposition gehen?

Pfundner: Wenn wir die absolute Mehrheit holen, würden wir die Opposition verlassen. Für den wahrscheinlicheren Fall, dass uns das nicht gelingt, gehe ich davon aus, dass wir wieder in die Opposition gehen.

Warum?

Kraft-Dlangamandla: Wenn es bei den wichtigen Themen Übereinstimmungen mit anderen Fraktionen gäbe, könnte man eventuell darüber reden. Aber so wie sie sich jetzt positionieren, sehe ich das nicht. Inhaltlich sind wir ziemlich weit weg von einer Koalition. In der BV1 gibt es eine punktuelle Zusammenarbeit in einzelnen Themen, das könnte ich mir auch im Rat vorstellen.

Pfundner: Wir machen keine Fundamental-Opposition. Wenn wir meinen, dass eine Idee gut ist für die Menschen in Düsseldorf, dann stimmen wir auch zu.

Mit Ihnen in der Opposition ist in dieser Legislaturperiode die CDU. Wie macht sie sich als Oppositionspartei?

Kraft-Dlangamandla: Es fällt auf, dass sie vor allem auf dem Oberbürgermeister und der SPD rumkloppen. Wir sind ja auch nicht der Auffassung, dass Thomas Geisel alles super gut macht, aber es sollte auch in der Opposition auf die Inhalte ankommen.

Pfundner: Das Hauptziel der CDU scheint es zu sein, irgendwie eine Frau oder einen Mann wieder ins OB-Büro zu bekommen.

Wird Die Linke mit einem eigenen Kandidaten für dieses Amt in die Kommunalwahl gehen?

Kraft-Dlangamandla: Darüber haben wir noch nicht nachgedacht, soweit sind wir in der Partei noch nicht.

Wie würden Sie das persönlich finden, wenn Die Linke einen eigenen OB-Kandidaten hätte?

Kraft-Dlangamandla: Vom Prinzip her gut.

Pfundner: Wenn es eine Stichwahl gäbe, sollten wir das meiner Meinung nach auf jeden Fall machen. Ohne Stichwahl müssen wir sehr genau darüber nachdenken, was es heißt, mit einem eigenen Kandidaten einige Prozentpunkte zu holen, und ob das die Chancen erhöht, dass ein Kandidat von CDU oder FDP gewinnt. Wir entscheiden das Ende des Jahres.

Wie sieht Ihr Zeitplan für die Kommunalwahl aus?

Kraft-Dlangamandla: Nach den Ferien geht es richtig los. Wir wollen unser Programm vor allem mit den Mitgliedern in der Partei erarbeiten.

Pfundner: Wir haben eine sehr gute Entwicklung bei den Mitgliedern, wir haben viele neue junge Mitglieder – und die sind auch aktiv.

Wie kam es dazu?

Pfundner: Ein wichtiges Thema für viele ist die Wohnungssituation, da haben wir eine klare Position. Und viele haben auch erkannt, dass Die Linke in Umweltfragen gar nicht so schlecht ist.

Bei der Europawahl hat Ihnen das aber nicht geholfen. Da haben nur die Grünen davon profitiert, dass Klimaschutz für die Wähler gerade ein ganz wichtiges Thema ist. Wie wollen Sie verhindern, dass es Ihnen bei der Kommunalwahl wieder so ergeht?

Kraft-Dlangamandla: Wir müssen immer im Gespräch sein und auch darauf hinweisen, welche Kompromisse die Grünen machen, wenn sie in einer Koalition sind.

Meinen Sie, dass Sie so die Mitglieder der Bewegung „Fridays for Future“ für sich gewinnen können?

Kraft-Dlangamandla: Es sind tatsächlich schon einige zu uns gekommen, aber ich finde es auch gar nicht schlimm, wenn die nicht in eine Partei eintreten, so erreichen sie wahrscheinlich noch mehr. Ich finde es sensationell, welchen Druck die Bewegung auf die etablierten Parteien gemacht hat.

Mit welchen Themen wollen Sie es dann schaffen, dass sie mit mehr als vier Ratsleuten in die Opposition im Stadtrat gehen?

Kraft-Dlangamandla: Mit Wohnungspolitik. Da sind unsere jungen Leute dran, und wir arbeiten mit vielen Initiativen und Bündnissen zusammen. Wir kriegen für unsere Forderungen viel Rückenwind.

Was ist das Programm, das mit diesem Ansatz verbunden ist?

Pfundner: Wir müssen mit dem Punkt aufräumen, dass es in Düsseldorf zu wenig Wohnungen gibt. Wir haben in Düsseldorf 360 000 Wohneinheiten mit einer durchschnittlichen Größe von 75 Quadratmetern. Wir haben nicht zu wenig Wohnungen, sondern nur zu wenig bezahlbare. Wenn beispielsweise in Heerdt ein Hochhaus gebaut wird und die günstigste Wohnung eine Million Euro kostet, hilft das niemandem.

Aber was hilft?

Pfundner: Es darf unserer Meinung nach nur noch öffentlich gefördert gebaut werden. Und städtische Grundstücke dürfen nicht mehr an private Investoren verkauft werden, sondern müssen von der Stadt oder der Städtischen Wohnungsgesellschaft genutzt werden. Außerdem brauchen wir eine wirksame Zweckentfremdungssatzung, damit die Spekulation mit Leerstand und die Vermietung von Wohnraum über AirBnB aufhört.

Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zu der Forderung des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert zu Enteignungen?

Pfundner: Die Forderung zeigt, dass bei der SPD nicht alles hoffnungslos ist.

Kraft-Dlangamandla: Der Wohnungsmarkt ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, Wohnen ist ein Menschenrecht. Das gilt auch für Obdachlose. Es ist doch eine Schande, dass es in einer Stadt wie Düsseldorf Obdachlose gibt.

Was wollen Sie gegen diese Schande tun?

Kraft-Dlangamandla: Fifty-Fifty hat ein Programm namens Housing First. Das muss die Stadt auch machen oder sie muss mehr Druck auf die Wohlfahrtsverbände machen. In Finnland gibt es kaum noch Obdachlose, weil dort Housing First konsequent betrieben wird. Es leuchtet doch auch ein, dass Menschen erst eine Wohnung haben müssen und sich dann wieder ein Leben aufbauen können.

Nochmal zurück zu Ihrem Weg ins Rathaus: Wie wird der Stadtrat aussehen, in den Sie ab Herbst 2020 gehen?

Kraft-Dlangamandla: Erst mal ist ja die Frage, ob wir beide ihn noch gehen. Vielleicht gehen wir dann auch auf die Tribüne und schauen zu. Ich kann mir vorstellen, für einen Platz weiter hinten auf der Liste zu kandidieren. Wenn wir dann eine starke Gruppe werden, bin ich noch dabei, kann die Arbeit aber mit mehreren teilen.

Pfundner: Wir werden sicher politisch aktiv bleiben, wir können gar nicht anders. Aber wir haben richtig gute junge Leute, die das jetzt übernehmen können, da mache ich mir überhaupt keine Sorgen um unsere Fraktion.

Und wie wird der Stadtrat aussehen, denn Sie dann eventuell von der Tribüne aus beobachten?

Kraft-Dlangamandla: Mein Wunsch: Wir sehen mehr Ratsleute der Linken. Meine Befürchtung: Wir sehen mehr Rechte. Die AfD wird wohl mit einer Fraktion im Rat vertreten sein. Wenn die Entwicklung der SPD so weiter geht, wird sie mit eine recht kleinen Fraktion dort vertreten sein.

Und wer wird die Sitzungen des Stadtrates dann leiten?

Pfundner: Der OB.

Kraft-Dlangamandla: Oder die OB.