Schwerpunkt Oper Hinter den Kulissen ein Sanierungsfall
Düsseldorf · Das Opernhaus steht für erhabene Kunst – aber auch für leckende Heizungen und kaputte Bühnenaufzüge. Weil die Stadt seit Jahren immer neue Millionenbeträge in die Instandsetzung stecken muss, steigen die Zahl und das Gewicht der Befürworter eines Neubaus.
Die Deutsche Oper am Rhein, das ist Fidelio und die Zauberflötte, Rigoletto und der „Ring“. Das sind die Regisseure, Sänger und Chöre, die Düsseldorfer Symphoniker und ihre Dirigenten. Aber zum Haus des Schönen, Edlen, Guten gehört seit Jahren auch dies: leckende Heizungen, defekte Elektrik, quietschende Sitze, marode Lüftung, kaputte Kulissenaufzüge und ein zu enger Orchestergraben. Profane Widrigkeiten, mit denen sich auch die besten Musiker und ihr Publikum herumzuschlagen haben.
Am meisten leidet aber gewiss die Stadt Düsseldorf an ihrem Opernhaus. Denn sie, respektive ihre steuerzahlenden Bürger, muss immer wieder neue Millionen Euro in den chronischen Sanierungsfall an der Heinrich-Heine-Allee stecken. 2006 waren es schon einmal 30 Millionen Euro, damals wurde der Spielbetrieb ausgelagert in das Provisorium „ROM“ am Landtag. Danach wurden immer wieder „kleinere“ Reparaturen notwendig, die freilich gerne schnell im siebenstelligen Kostenbereich landeten. 2018/19 schließlich taten sich tiefere Sanierungsabgründe auf: Zunächst ging es um 18 Millionen Euro für die akute Behebung von Mängeln an Dach und Haustechnik. Und dann rückte Kulturdezernent Hans-Georg Lohe mit immer unangenehmeren, aber realistischen Summe heraus. In den nächsten 25 Jahren kämen noch einmal mindestens 86 Millionen Euro hinzu, teilte er mit und warnte zugleich, wenn man mal genauer hinter das alte Mauerwerk schaue, könne es auch gut und gerne noch ärger kommen. Spätestens da nahm die Grundsatzdebatte Fahrt auf: Lohnt das alles noch? Oder wäre nicht ein ganz neu zu bauendes Opernhaus für Düsseldorf viel besser?
Anhänger einer neuen Oper haben Oberwasser bekommen
Erste Neubaumodelle wurden von interessierten Architekten und Investoren auf den Markt geworfen. An ihrer Qualität gab es sogleich Zweifel, sie befeuerten aber die Grundsatzfrage Sanierung oder Neubau in Richtung von letzterem. Dann kam rasch die Standortfrage aufs Tapet, der Medienhafen kam ins Spiel, Sydney ließ grüßen. Es gab Contra, auch vom Oberbürgermeister, der Standort an der Heine-Allee sei ideal und müsse erhalten bleiben, wobei auch Thomas Geisel zugleich aus seiner Sympathie für ein neues Opernhaus keinen Hehl machte. In der Politik warben vor allem CDU und FDP für eine neue Oper, SPD und Grüne hielten sich bedeckt. Die Bewahrer, also diejenigen, die das denkmalgeschützte Opernhaus erhalten möchten, gerieten jedenfalls offensichtlich mehr und mehr in die Defensive.
Im Konsens beschloss der Stadtrat dann im Frühjahr die Gründung einer „Kleinen Kommission Oper“, die Anforderungen an ein Opernhaus der Zukunft definieren und Empfehlungen aussprechen soll. Als erster Aufschlag dieses – auch öffentlichen – Diskussionsprozesses kam die vom Deutschen Architekturmuseum gemachte Ausstellung „Große Oper – viel Theater?“ von Mai bis Juli ins Foyer des Opernhauses. Sie zeigte gelungene Beispiele von aufwendig sanierten alten Häusern und neu gebauten Opern, die, wenn nicht immer zu Wahrzeichen, dann aber zu offenen Mittel- und Treffpunkten in ihren Städten geworden sind. Und genau das ist es, was den Anhängern eines – an alter Stelle – neu zu errichtenden Opernhauses, vorschwebt: kein exklusiver Musentempel für betagtere Opernliebhaber, sondern ein offenes Haus und ein großer Wurf für die gesamte Stadtgesellschaft. Nun, entschieden ist noch nichts. Just am Freitag sprach sich die Aktionsgemeinschaft der Düsseldorfer Heimat- und Bürgervereine (AGD) für den Erhalt und Weiterbetrieb des alten Opernhauses aus.
Was dagegen für einen Abriss samt Neubau sprechen könnte, sind die anderen Sanierungsfälle unter den Kulturbauten. Es sind so viele und gravierende, dass die Stadt dafür einen „Masterplan Kulturbauten“ aufgelegt hat. Neben dem Kunstpalast und dem Tanzhaus NRW sind besonders zwei Bauwerke betroffen, bei denen (eigentlich) niemand in Düsseldorf auf den Gedanken kommt, die Abrissbirne zu bestellen. Das Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz, ein bedeutendes Beispiel für die Nachkriegsarchitektur und ein Düsseldorfer Vorzeigebau, für den allerdings ganz ähnliche Summen wie beim Opernhaus zur Instandsetzung aufgerufen werden. Und die Tonhalle, das zum Konzertsaal umgebaute ehemalige Planetarium am Rhein. Sie sind nicht zuletzt einfach beliebter als das Opernhaus, das deshalb schlechte Karten gegenüber der Variante Neubau hat.