Forschung Uni beteiligt an Entdeckung zum Anfang des Lebens
Düsseldorf · William Martin vom Institut für Molekulare Evolution an der Heinrich-Heine-Universität hat mit Kollegen erforscht, warum die Evolution zwei Milliarden Jahre kaum voran kam.
Die Zeitschrift „Trends in Plant Science“ ist kein Massendruckerzeugnis, das den Händlern am Kiosk aus der Hand gerissen wird. Aber es ist eine Zeitschrift, die in der Wissenschaft eine gute Rolle spielt, die oft zitiert und entsprechend in Fachkreisen wahrgenommen wird. In der jüngsten Ausgabe zählt ein Forscher der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität zu den Autoren, die ein erstaunliches Ergebnis ihrer Arbeit präsentieren. William Martin vom Institut für Molekulare Evolution hat mit seinen Londoner Kollegen John F. Allen und Brenda Thake einen möglichen Grund ermittelt, warum die Evolution auf der Erde lange nicht von der Stelle kam. Nach ihrer Theorie hat ein Enzym dafür gesorgt, dass in der frühen Erdgeschichte der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre für rund zwei Milliarden Jahre lang so niedrig blieb, dass sich kein Leben an Land entwickeln konnte.
Förderpreise über mehr als eine halbe Million Euro
Die Bedeutung der Arbeit von William Martin und des Instituts für Molekulare Evolution hat sich in den vergangenen Monaten auch jenseits der Fachpublikationen gezeigt. Die Volkswagen-Stiftung hatte Mitte August bekanntgegeben, ein Projekt der Düsseldorfer mit zwei anderen Forschungseinrichtungen mit einer großen Summe zu fördern. Das Projekt soll Ende dieses Jahres starten und zurück zu dem Punkt vor Beginn der Evolution gehen. Das Institut für Molekulare Evolution erhält dabei Fördermittel von rund 500 000 Euro.
Im vergangenen Jahr hatte die hiesige Klüh-Stiftung zur Förderung von Innovation in Wissenschaft und Forschung dem aus den USA stammenden Professor ihren mit 25 000 Euro dotierten Förderpreis verliehen. Der Vorsitzende des Stiftungs-Beirats, Coordt von Mannstein, erläuterte damals den Rang dieser Forschung. Martin publiziere regelmäßig in den wichtigsten Wissenschaftsjournalen wie Science oder Nature. Die meisten Wissenschaftler seien froh, wenn sie dort einmal im Leben einen Aufsatz veröffentlichen dürften, der Forscher von der Heinrich-Heine-Universität tue dies jährlich.
William Martin ist im US-Bundesstaat Maryland geboren und in Texas wesentlich ausgebildet worden, auch als Schreiner. Nach einer Zwischenstation in Niedersachsen kam er 1999 an die Heinrich-Heine-Universität. Das zentrale Ergebnis seiner Arbeit hier trägt den Namen Luca. Das steht für Last Universal Common Ancestor und bedeutet übersetzt letzter gemeinsamer Vorfahre. Dahinter steht die Frage, wie sich aus Nicht-Lebendigem Lebendiges oder woraus sich alle heutigen Lebewesen von der Bakterie bis zum Menschen entwickelt haben. „Die Bausteine des Lebens sind nicht aus dem All heruntergeregnet, sie waren hier auf der Erde“, sagt Martin. Die Entstehung von Leben sei ein chemischer Vorgang, für den es Energie brauche. Diesen Vorgang will Martin in seinem Labor nachahmen und so seine Theorie bestätigen.
Die aktuell veröffentlichte Theorie beschäftigt sich mit dem Zeitalter, das manche „die langweilige Milliarde“ nennen. Auf der frühen Erde hatte es keinen freien Sauerstoff, wie ihn Menschen, Tiere und Pflanzen benötigen, gegeben. Kohlendioxid und Stickstoff bestimmten die Atmosphäre. Das änderte sich zwar, als Bakterien mit Hilfe des erwähnten Enzyms begannen Sauerstoff zu produzieren. Der Sauerstoff-Gehalt in der Atmosphäre stieg zunächst an, verharrte dann aber bei zwei Volumen-Prozent. Das sorgte für die Langeweile in der Evolution – über zwei Milliarden Jahre. Erst danach stieg der Sauerstoffgehalt auf heute rund 21 Prozent an.
Die Wissenschaftler haben nun die Theorie aufgestellt, dass das Enzym für eine Art Teufelskreis sorgt. Es fördert die Sauerstoffbildung wie beschrieben, bei zu hohem Sauerstoffgehalt aber blockiert es. Anders formuliert: Erst sorgt das Enzym für Sauerstoff, dann verhindert es, dass es noch mehr Sauerstoff gibt. Erst vor etwa 600 Millionen Jahren endete der Teufelskreis, als Pflanzen begannen, das Festland zu erobern und dort Photosynthese zu betreiben. Fossilienfunde bestätigen diese neue Sicht.
Wer William Martin persönlich erlebt, wenn er Laien seine Arbeit erläutert, lernt einen unterhaltsamen Erklärer und demütigen Forscher. „Es gibt keine Fakten“, sagt er. „Es gibt nur Beobachtungen und ihre Deutungen. In 200 Jahren werden Wissenschaftler über das lachen, was wir heute für wahr halten.“ Jungen Kollegen gebe er daher gerne folgenden Rat: „Pass vor allem auf deine Familie und deine Kinder auf, denn eines ist sicher: Die Wissenschaft wird dich niemals lieben.“