Leben mit Behinderung Düsseldorfer Youtuber Dominik Fels: „Wir sind doch alle irgendwie behindert“

Düsseldorf · Dominik Fels (26) sitzt im Rollstuhl und will Menschen die Angst vor dem Umgang mit behinderten Menschen nehmen. Mit Wortwitz und Ironie.

Dominik Fels nimmt in seinem Zimmer Videos mit dem Handy auf und stellt sie mit dem #Wheeltalk ins Netz. Er möchte anderen Menschen Mut machen. Allen. Nicht nur denen, die eine sichtbare Behinderung haben, sagt er. 

Foto: Ines Arnold

Es gibt einige Wörter, die Dominik Fels nicht mehr hören kann. Und doch kommt er im alltäglichen Leben nicht um sie herum. Inklusion ist so ein Begriff, den er eigentlich verabscheut. Und doch macht er dieses zum Thema seiner Videos in den sozialen Netzwerken. Aber auf seine ganz eigene Art und Weise. Humorvoll, ironisch, provokant. „Die Leute haben Berührungsängste und wissen oftmals gar nicht, wie sie mit behinderten Menschen reden oder umgehen sollen“, sagt er. „Ich rege mich zum Beispiel tierisch darüber auf, wenn selbst Leute mit Behinderung nicht behindert genannt werden wollen“, sagt er. „Das führt nämlich genau dazu, dass Menschen völlig gehemmt im Umgang mit Behinderten sind. Wenn sie denken, sie müssten anstatt gehen rollen sagen“, sagt er. Genau das möchte er mit seinen Beiträgen ändern. „Ich möchte diese Hemmschwellen abbauen, den Leuten den Druck nehmen.“

Sein erstes Video lief unter dem Titel „Der einzig wahre Spasti“

Der 26-Jährige kam drei Monate zu früh auf die Welt, hat eine sogenannte linksbetonte Tetraspastik. Das heißt, dass seine Muskelspannung in Arm und Beinen stärker ist als bei anderen Menschen, und dass er im Rollstuhl sitzt. Das hinderte ihn aber nicht daran, seine selbst gesteckten Ziele zu verfolgen — und auch zu erreichen. Mit 18 begann er mit Fitnesstraining. „Nachdem ich zu Hause damit angefangen hatte, wollte ich wie andere auch in einem Fitnessstudio trainieren, aber Betreiber und Trainer versuchten mir das auszureden. Es sei ein zu hohes Sicherheitsrisiko, mich im Studio trainieren zu lassen“, erzählt er. Fels aber ließ nicht locker. „Ich habe so lange genervt, bis sie nicht mehr umhin kamen, mich zu integrieren“, sagt er. Von seinen Trainingseinheiten machte er Videos, stellte sie mit Anleitungen und Tipps ins Netz.

Dann folgte der nächste Schritt. „Ich wollte die Trainerlizens machen, um zu beweisen, dass ich weiß, wovon ich spreche.“ Aber auch da stieß Fels erst einmal auf taube Ohren. „Man bot mir sogar an, die Module mitmachen zu dürfen, die Prüfung abzulegen ginge aber nicht. Was für ein Quatsch. Man kocht sich ja auch kein Essen, um es dann anzugucken“, sagt Fels und lacht. Erneut setzte er sich durch. „Ich bin dann in diesem Institut aufgetaucht und habe gefordert, dass man sich meine Videos ansieht und mir dann ins Gesicht sagt, warum ich keine Trainerlizens ablegen darf.“ Anschließend erhielt er die Zusage.

Vor knapp vier Jahren beschloss Dominik Fels, die Fitnessvideos einzustellen. „Ich merkte, dass mein großer Ehrgeiz nicht vereinbar ist mit den Gegebenheiten. Dass meine Eltern mich ins Studio bringen müssen. Dass ich über 4000 Kalorien am Tag zu mir nehmen muss, die mir jemand in einer nicht barrierefreien Küche zubereiten muss“, erklärt er. „Ich musste einen anderen Weg finden, meine Botschaft zu verkünden. Einen Weg, bei dem ich unabhängig und nicht auf die Hilfe anderer angewiesen bin.“

Fels konzentriert sich heute auf kurze Videos in den sozialen Netzwerken. Sein erstes Video auf Youtube veröffentlichte er unter dem Titel „Der einzig wahre Spasti auf Youtube“, beim „Wheeltalk — irgendwie alles behindert“ beantwortet er Fragen, entlarvt Mythen und spricht Klartext. Immer mit dem Ziel, Hemmschwellen abzubauen und Menschen mit und ohne Behinderung Mut und Selbstvertrauen zu vermitteln, ihre Ziele zu verfolgen. Egal, was die anderen sagen. „Ich bin der Meinung: Alles und jeder ist behindert. Bei manchen heißt die Behinderung Spastik oder Downsyndrom. Bei anderen zu wenig Liebe, kein Selbstvertrauen oder Einsamkeit. Bei den einen ist sie sichtbar, bei den anderen eben nicht“, sagt Fels.

Da sei er deutlich im Vorteil. „Wenn ich einen Raum betrete, weiß jeder, dass ich behindert bin. Aber der Mann, der nach mir in den Raum kommt, der an Depressionen leidet, der viel größere Probleme hatte, an diesem Morgen aus dem Bett zu kommen und der dann aneckt und von den anderen als Arschloch wahrgenommen wird, hat es da viel schwerer.“

Eins seiner Videos, das 150 000 Mal angesehen wurde, ist nur 15 Sekunden lang und beinhaltet wenige Sätze. „Ihr wollt wissen, wie es sich anfühlt im Rollstuhl zu sitzen? Dann setzt euch mal hin“, sagt der 26-Jährige darin. Nach einer Atempause fügt er hinzu: „So fühlt es sich an.“

Der Düsseldorfer möchte mit solchen Clips deutlich machen, dass er es nicht schwerer als andere im Leben hat und ihm für die Bewältigung seines Alltags kein Respekt gebührt. „Ich kann das Wort Respekt in den sozialen Netzwerken wirklich nicht mehr hören. Weil in den meisten Fällen nicht die Sache gemeint ist, sondern die Tatsache, dass ich mit einer Behinderung lebe. Aber dafür, dass ich morgens aufstehe, mich anziehe und ein Brötchen esse, brauche ich keinen Respekt“, sagt er. „Da gibt es viele andere Menschen, denen eher Respekt entgegengebracht werden müsste. Menschen, denen man ihre Behinderung nicht ansieht.“