Sie haben für Ihr Buch eine sehr direkte Sprache gewählt.
Interview Eine Frau kämpft gegen das Krebsklischee
Düsseldorf · Susanne Reinker war selbst krebskrank und verwendet in ihrem Ratgeber eine extrem direkte und deutliche Sprache. Vor allem Betroffenheit im Umgang mit der Krankheit nervt sie.
„Ich bin im falschen Film“, schoss es Susanne Reinker durch den Kopf, als der Gynäkologe ihr die Diagnose „mit dem K-Wort“ verkündete. Brustkrebs mit 44. Das war im Juli 2007. Im Juli 2019 erscheint das neue Buch „Kopf hoch, Brust raus“ der Autorin und Übersetzerin. Es ist ein Ratgeber und zwar einer, wie ihn sich die Düsseldorferin vor zwölf Jahren gewünscht hätte. Geradeaus, in klarer Sprache auf den Punkt gebracht, was alles wichtig ist, wenn man zu einem „Krebs“ wird, wie Susanne Reinker es formuliert. Sie selbst nennt sich eine Veteranin, keine Überlebende, das ist ihr wichtig, denn der Krebs bleibt ein Teil ihres Lebens, auch wenn es ihr jetzt gut geht.
Susanne Reinker: Ich finde es zum einen wichtig, dass man so schreibt, wie man spricht. So bekommen mehr Menschen Zugang zu den Stoffen und können so ein Buch auch besser verstehen. Mir ging außerdem diese typische Krebsratgeber-Sprache auf den Wecker. Mir ist natürlich klar, dass Autoren oft Angst haben, durch eine direkte Sprache, einem Leser, der schwer krank ist, zu nahe zu treten.
Glauben Sie, dass es Krebskranken guttun kann, wenn jemand die Dinge klar beim Namen nennt?
Reinker: Es steht ja immer das Klischee im Raum, dass der Mensch mit Krebs, bald sterben wird. Wer möchte denn dann noch einen Ratgeber lesen, der so betulich, bleischwer und bierernst daherkommt? Das macht die Sache für uns als Krebse überhaupt nicht besser. Das macht uns die eigene Vergänglichkeit nur noch viel bewusster. Ich habe mich mit solchen Büchern immer unwohl gefühlt. Deshalb dachte ich, ich bin selbst betroffen. Ich darf das. Mir ist bewusst, dass ich sicher den einen oder anderen damit vor den Kopf stoße. Aber ich finde es wichtig, dieses Angebot zu machen. Wem die Sprache zu radikal ist, für den gibt es all die anderen Ratgeber.
Sie gehen in Ihrem Buch mit den Ärzten streng ins Gericht und fordern mehr Empathie im Umgang mit den Patienten ein.
Reinker: Hausärzte sind da noch etwas anders als Fachärzte. Erstere kennen ihre Patienten oft schon sehr lange, mit allen Hochs und Tiefs. Haben aber in der Regel mit eher harmlosen Beschwerden zu tun. Fachärzte werden dann hinzugezogen, wenn ein Anfangsverdacht im Raum steht. Sie müssen überdurchschnittlich häufig schlechte Nachrichten überbringen. Ich habe das Gefühl, dass sie sich auch zum Selbstschutz eine Distanziertheit zugelegt haben. Bei allem Verständnis dafür. Wenn ein Mensch vor ihnen sitzt, dem durch die Diagnose der Boden unter den Füßen weggezogen wird, ist einfach Mitgefühl angesagt, ihr Fachchinesisch ist da ebenso fehl am Platz. Viele Patienten trauen sich gar nicht, nachzufragen.
Was wäre denn Ihr Rat an die Mediziner?
Reinker: Sich einfach vorzustellen, dass da die eigene Mutter oder Oma vor ihnen sitzt. Und dass es ein Mensch ist, der vielleicht keinen Uniabschluss hat und verstehen muss, was da mit ihm gerade passiert. Wichtig ist es auch, zu differenzieren, welcher Krebs es ist. Denn nicht jeder Krebs ist tödlich. Dieses Klischee Krebs gleich Tod, hat sich in unseren Köpfen festgesetzt. Die Medizin hat sich so weit entwickelt, dass es auch viele Erfolgsmeldungen gibt.
Damit wären wir bei der nächsten Gruppe, die Sie kritisieren, die Medien.
Reinker: Es gibt eine Menge guter Nachrichten rund um das Thema Krebs. Leider benutzen die Medien gerne Chiffren wie, „die Schauspielern XY kämpft tapfer gegen den Krebs“. Das ist Phase 1 und Phase 2 wird dann eingeleitet mit: „nach langem schwerem Kampf erlag er oder sie dem Krebs.“ Der Horror im Kopf springt dann sofort an. Dieses Bild wird dann noch durch Fernsehfilme zementiert, die gerne Bilder benutzen, wie die Frau, die sich mit einem müden Gesichtsausdruck die Perücke vom kahlen Kopf zieht und alle wissen, die hat Krebs und wird daran sterben. Erzählt doch mal von denjenigen, die es schaffen, die weiterleben! Dann ändert sich auch unser Bild vom Krebsklischee.
Was wäre Ihr Rat für die Angehörigen von Krebskranken?
Reinker: Uns Krebsen bitte nicht zeigen, wie betroffen sie sind. So ehrlich die Gefühle sein mögen. Sie machen uns das Leben schwer. Besser pragmatisch sein und fragen, wie kann ich helfen? Freunde und Familie kennen doch unser Leben. Vielleicht geht jemand mit dem Hund raus. Ein anderer kauft ein oder kocht was. Oder fährt mit uns zum Arzt. Und dranbleiben. Krebs ist kein Sprint sondern ein Marathon und da brauchen wir alle Unterstützung, die wir kriegen können.