Fall Mirco: „Ich war die heiße Spur“
Düsseldorfer wurde zu Unrecht von einer Nachbarin verdächtigt.
Düsseldorf. Er hat gerade seine Tochter ins Auto gesetzt, als die vier Zivilfahnder ihn ansprechen: „Starten Sie nicht den Wagen.“ Es folgt ein Verhör in seiner Wohnung, in dem der Düsseldorfer Dieter B. (Name geändert) sein Leben offen legen muss.
Von den Telefonnummern im Handy, über Gewicht, Ernährung, Dienstreisen und den Namen seiner Friseurin bis zu seiner geschiedenen Ehe. Er gilt ab dem 3. November 2010 als Hauptverdächtiger im Fall Mirco, der am 3. September 2010 in Grefrath missbraucht und ermordet worden war. „Ich war die heiße Spur“, sagt B.
Noch heute hat der 54-Jährige mit dem schweren Verdacht zu kämpfen: Er verklagt vor dem Amtsgericht seine Nachbarin, eine heute 86-Jährige. Sie hatte am 1. November 2010 gegenüber der Polizei behauptet, sie habe aus seiner Wohnung ein Streitgespräch gehört, in dem die Worte „Mirco“ und „stell dich endlich“ gefallen seien. Damit bringt sie die „Soko Mirco“ auf Hochtouren und B.s Leben aus den Fugen. Dabei hat das Gespräch nie stattgefunden.
B.s Ex-Frau, Nachbarn und sein Arbeitgeber werden nach pädophilen Neigungen oder Auffälligkeiten des technischen Angestellten befragt. „Das war die Hölle“, sagt B. Dabei sei Kindesmissbrauch für ihn „das schlimmste Verbrechen, das es gibt“. In der Nachbarschaft ist er stigmatisiert, er denkt sogar kurz an Suizid.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag 2010 stehen wieder Polizisten vor der Wohnungstür des 54-Jährigen: Die Nachbarin hat sie gerufen, weil sie Kinderschreie gehört haben will. Doch B. ist alleine. Ende Januar 2011 wird der wahre Täter gefasst.
Warum die Seniorin den schlimmen Verdacht auf ihn lenkte, ahnt B.: „Sie spielt sich als Grande Dame im Haus auf. Sie hat sich in den vergangenen drei Jahren öfter beschwert.“ Zum ersten Mal, weil er angeblich zu laut gebadet habe. „Sie wollte mich aus dem Haus haben.“
Vor Gericht forderte er nun eine Entschuldigung und 1000 Euro Schmerzensgeld, die er seiner Tochter geben oder spenden wollte. Die Nachbarin ließ sich von ihrem Sohn vertreten, der sagte, die Beschuldigungen seien „Ausfluss einer beginnenden Altersdemenz“. Doch ein Polizei-Psychologe hatte die Seniorin damals als glaubwürdig eingestuft.
Die Richterin erklärte: „Es steht für alle fest, dass der Kläger eine weiße Weste hat.“ Sie schlug einen Vergleich vor: Die Verklagte spendet 100 Euro an die Opferschutzorganisation Weißer Ring und darf nicht mehr behaupten, dass B. in Zusammenhang mit Straftaten an Kindern steht.
Eine kleine Genugtuung, denn für B. ist das Leben nicht mehr dasselbe: Am Spielplatz schauen ihn andere Eltern komisch an, er hat Angst, dass Fahnder in anderen Fällen seine Akte ausgraben und seine Tochter will nicht mehr in seine Wohnung. Ein Umzug sei für B. aber nie in Frage gekommen: „Das hätte wie ein Geständnis ausgesehen.“