Düsseldorf Familie Jetula feiert in ihrer Heimat
Zwei Jahre nach der Abschiebung: Der Vater lief aus Mazedonien nach Düsseldorf zurück — mit akutem Krebs.
Düsseldorf. Fast zweieinhalb Jahre ist es her, dass die Familie Jetula mit ihren sechs Kindern in Hassels aus dem Bett geklingelt wurde. Wenig später saßen sie in einem Flugzeug — abgeschoben nach Mazedonien. Vier Tage vor einem Gerichtstermin, bei dem sie noch einmal um Asyl kämpfen wollten. Und obwohl die Familie laut Sozialarbeitern und Freunden voll integriert war — die WZ berichtete damals. Jetzt sind die Jetulas zurück und feiern Weihnachten in ihrer Heimat. Düsseldorf. Dafür musste Vater Kamber Bekir aus Mazedonien nach Deutschland laufen. Anderthalb Monate hat er gebraucht. Und er hatte akuten Krebs.
Das Schicksal der Familie steht stellvertretend für eine große Gruppe von Menschen aus so genannten „sicheren Herkunftsländern“. Zu ihnen zählt Mazedonien. Das Problem: Kamber Bekir wurde dort geboren, als es noch Jugoslawien war — und floh vor dem Krieg. Er wurde schließlich in Düsseldorf heimisch; er, seine Frau und alle seine Kinder sprechen fließend Deutsch, der kleine Ervin (5) wurde hier geboren. 2013 schickte man die acht nach Mazedonien nicht nur in ein fremdes Land, dessen Sprache sie kaum verstanden. Vater Bekir gilt zudem als staatenlos. Der Roma lebte in Mazedonien ohne Pass, ohne Krankenversicherung. Und dann wurde er krank.
Gemeinsam mit seinem 18-jährigen Sohn Imar machte sich Kamber Bekir auf die beschwerliche Reise. Quer durch Europa. Zu Fuß. „Ich wusste, dass ich sonst sterben werde“, berichtet er. Anderthalb Monate gehen, verstecken, gehen. Dann erreichten Vater und Sohn Regensburg — und fielen prompt der Polizei in die Hände. Kamber Bekir glaubte alle Hoffnungen verloren. Doch dann fanden die Beamten in seiner Hosentasche den Artikel aus der WZ, der vom Schicksal der Jetulas und dem Kampf der Düsseldorfer Helfer um ihre Rückkehr erzählte. „Da gaben sie mir etwas zu trinken und zu essen“, berichtet der 39-Jährige. „Und man kaufte mir ein Bahnticket nach NRW.“
Kamber Bekir wurde im Juli mit akutem Hodenkrebs im Marien-Hospital operiert. In „chronisch reduziertem Allgemein- und hagerem Ernährungszustand“ befand er sich laut Arztbericht da, wog noch 52 Kilo. Jetzt erholt er sich. Wohl auch, weil seit dem Sommer die ganze Familie jetzt wieder in Düsseldorf vereint ist.
An der Mintropstraße lebt die Großfamilie in einem kleinen Apartment, im Wohnzimmer stehen gleich zwei Hochbetten. Aber die tiefen Schatten, die auf den Fotos aus Mazedonien unter Elmedinas Augen zu sehen waren, sind verschwunden. Die Zwölfjährige hat es auf Anhieb auf die Carl-Benz-Realschule geschafft. „Letzte Woche habe ich in Deutsch eine Zwei bekommen“, sagt sie strahlend. Und das, obwohl sie zwei Jahre überhaupt nicht zur Schule gegangen ist. „Die wollten mich da ja nicht“, sagt sie. Als Kinder eines staatenlosen Roma hatten auch die jüngeren Jetulas praktisch keine Rechte.
Wie die Familie in Mazedonien hauste, hat Sozialarbeiterin Sophie Schmitz aus Düsseldorf erlebt, als sie die Jetulas besuchte, ihnen Kleidung brachte. Die Eltern und ihre sechs Kinder wohnten im etwa zehn Quadratmeter großen Anbau einer Baracke. „Es gab keinen Tisch, keine Stühle. Alles war mit Matratzen ausgelegt, die sie tagsüber gestapelt haben.“ Kein Wasser, kein Strom. „Und es war bitterkalt“, erinnert sich Sophie Schmitz. Für ihren Gast kauften die Eltern Lebensmittel. „Und dann saßen sie da und haben selbst nichts gegessen“, erinnert sie sich. „Sie sind einfach eine besondere Familie — alle sehr intelligent und herzensgut.“
Sie hofft, dass die Odyssee der Jetulas beendet ist — und sie nicht zurück müssen in ein Land, in dem man sie gar nicht will. Aber daran werden Elmedina, ihre Geschwister und Eltern heute ohnehin nicht denken — sondern daran, dass sie Weihnachten dort sind, wo sie alle sich zu Hause fühlen.