Wie sind denn Ihre ersten rund sechs Monate gelaufen?
Interview Jochen Kral „Für nächstes Jahr steht Solar im Fokus“
Interview · Der neue Umweltdezernent über Düsseldorfs Solaroffensive – und ob Klimaneutralität bis 2035 realistisch ist.
Julia Nemesheimer stellte die Fragen
Verkehrsdezernent Jochen Kral hat zum 1. August auch den Bereich Umwelt übernommen – die beiden Fachbereiche liegen damit neuerdings in einer Hand. Hier spricht er über Effizienz, Pläne und Engpässe.
Jochen Kral: Es zeigt sich in der alltäglichen Arbeit, dass es sehr viele Schnittstellen zwischen Mobilität und Umwelt gibt: Verkehr ist ein Schlüsselthema, um den Klimaschutz zu erreichen. Bundesweit betrachtet sind die Einsparungen an CO2 in diesem Sektor am geringsten, daher macht es auch auf kommunaler Ebene Sinn, beide miteinander abzustimmen. Nebenbei ist so ein Dezernat für den öffentlichen Raum entstanden. Vereinfacht ausgedrückt, liegen jetzt die überwiegende Mehrzahl aller Flächen, die nicht bebaut oder für eine Bebauung vorgesehen sind, in der Zuständigkeit dieses Dezernates. Das erleichtert die Abstimmung zwischen den Ämtern.
Hat sich dadurch Ihr Arbeitspensum stark erhöht?
Kral: Es ist schon eine breitere Spanne und dementsprechend auch ein großes Team, das es zu koordinieren gilt. Aber dieses Team hilft natürlich. Noch bin ich in der Einarbeitungsphase.
Was steht da bei Ihnen an?
Kral: Ich bin noch dabei, die neuen Ämter in der Tiefe und insbesondere meine Mitarbeiter und andere Schlüsselakteure näher kennenzulernen. Daneben sind organisatorische Strukturen aufzubauen. Seit der Zusammenlegung gibt es im Dezernat eine Büroleitung. Und wenn man dann alle Projekte kennt, kann man auch wirklich effizient arbeiten. Ein Jahr habe ich mich jetzt in Mobilität eingearbeitet; und ein Jahr habe ich für die Einarbeitung im Bereich Umwelt eingeplant.
War die bessere Zusammenarbeit der einzige Grund für die Zusammenlegung?
Kral: Effizienz und Schnittstellenoptimierung sind schon sehr gute Gründe. Anderseits hatte ich zu Beginn meiner Tätigkeit zuerst nur ein Amt zu steuern. Insofern machte es Sinn, das Dezernat noch etwas zu vergrößern. Von Helga Stulgies habe ich dann den umweltbezogenen Teil ihres Dezernats geerbt.
Wessen Wunsch war es eigentlich, die Zusammenlegung voranzutreiben? CDU, Grüne oder beide gemeinsam?
Kral: Die Frage habe ich nie gestellt. Ich war zur damaligen Zeit Beigeordneter in Ratingen und insofern in die Entscheidungsfindung naturgemäß nicht eingebunden.
Mit dem neuen Zuschnitt gibt es auch mehr Ausschusssitzungen, die Sie besuchen müssen.
Kral: Ja, aber das ist dennoch kein Überpensum – auch wenn die Vorbereitungszeit höher ist.
Wie gestaltet sich denn allgemein Ihre Einarbeitung?
Kral: Ich habe ja für alle Arbeitsfelder in meinem Dezernat eine fachliche Basis. In meinen Studium der Raum- und Umweltplanungsstudium habe ich beginnend bei Verkehrs- und Freiraumplanung bis hin zur Abfallwirtschaft nahezu alle Themen schon kennengelernt. Außerdem ist mir die räumliche Grundstruktur von Düsseldorf sehr vertraut, weil ich seit über 25 Jahren hier lebe.
Welche Projekte stehen etwa im kommenden Jahr im Fokus?
Kral: Es gibt zwei Megathemen für die nächsten Jahrzehnte: Klimaschutz und -anpassung sowie Biodiversität. Bei ersterem sehe ich für nächstes Jahr Solar im Fokus. Wir haben hier bereits gute Fördermöglichkeiten, aber die möchte ich noch weiter verfeinern.
Gibt es da schon Pläne?
Kral: Das vorhandene gute Förderangebot soll weiter geschärft werden. Gerade wurden für Minisolaranlagen die Fördersätze erhöht. Aber auch organisatorisch möchten wir Mietern und Eigentümern eine bessere Unterstützung anbieten. Neue Angebote sollen auch sozial schwachen Haushalten helfen. Außerdem wollen wir die städtischen Dächer mit Photovoltaik bestücken und dazu die Zusammenarbeit intern wie extern verstärken.
Problematisch ist hier ja die Lage am Markt: Es gibt zu wenig Handwerker und einen Materialmangel. Gibt es da städtische Hebel?
Kral: Der Materialengpass im Bereich der Solartechnik wird sich meiner Meinung nach mit der Zeit von selbst auflösen. Es gibt ja übergeordnete Überlegungen, die Produktion in Deutschland selbst wieder anzukurbeln. Handwerker hingegen sind ein großes Problem. Wenn wir die Sanierung auf den Standard vorantreiben wollen, dass die Klimaneutralität bis 2035 gelingt, dann benötigen wir eine Bestandssanierungsquote von zwei bis drei Prozent. Und abseits der Frage, ob es überhaupt Handwerker gibt, stellt sich auch die Frage, wie diese entsprechend qualifiziert werden. Wir haben deshalb gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft eine Initiative gestartet. Eine neue Umweltakademie soll Handwerker speziell in diesem Bereich fortbilden.
Was passiert zur Klimaanpassung?
Kral: Hier werden wir in den nächsten fünf Jahren je fünf Millionen Euro zusätzlich investieren. So sollen 1500 neue Bäume in der Stadt für Kühle und Schatten sorgen, die Hitzeaktionsplanung soll als Modellprojekt mit Bundesunterstützung vorangetrieben werden. Wir wollen an den urbanen Hitzeinsel ansetzen, die wir in unserer Klimaanalyse identifiziert haben.
Und im Bereich Biodiversität?
Kral: Wir haben hier jetzt einen Biodiversitätsbeauftragten installiert, der die einzelnen Artengruppen und ihre Lebensräume analysiert und daraus ein Programm entwickelt, um artenspezifisch die Bedingungen in den besiedelten Stadtteilen, aber auch in den freien Landschaftsräumen zu verbessern.
Ist zur Verbesserung schon etwas geplant?
Kral: Ja, wir beabsichtigen im Düsseldorfer Norden Moorlandschaften zu reaktivieren, pflanzen neue Alleen, schaffen kleine Wälder und Grünoasen in der Stadt. Außerdem arbeiten wir mit Landwirten zusammen, an deren Feldrändern Blühstreifen entstehen werden.
Aber auch für all diese Pläne benötigt es Arbeitskräfte.
Kral: Genau, und die sind aktuell schwer zu bekommen. War vor 20 Jahren die Finanzierung der einzige Engpassfaktor, ist es jetzt mehr die Mitarbeiterverfügbarkeit. Wir optimieren uns daher ständig als Arbeitgeber, um so attraktiv zu bleiben, dass wir junge, hoch qualifizierte Menschen anwerben – und vor allem auch halten.
Stichwort Geld: Arbeitet es sich leichter mit einem Klimasonderbudget von 60 Millionen Euro?
Kral: Das Gute an diesem Sonderbudget ist, dass wir die Mittel mit einer hohen Flexibilität einsetzen können. Wir müssen nicht jede neue Maßnahme ein Jahr vorher im Haushalt als Einzelposten angeben. Wir können agil entscheiden, was ein gutes Projekt ist – natürlich in Abstimmung mit der Politik. Dennoch gibt es klare und strikte Kriterien, ob eine Maßnahme wirklich für den Klimaschutz Vorteile bringt. Wir haben vor diesen Prozess im nächsten Jahr zu digitalisieren und transparenter zu machen.
Man hat auch den Eindruck, dass manche Projekte etwas schneller vorangehen.
Kral: Wir haben mit Doris Törkel (Gartenamt) und Thomas Loosen (Umweltamt) zwei Amtsleiter, die ihre Mitarbeiter sehr gut führen und mitnehmen können, und außerdem sehr strukturiert arbeiten. In dieser Hinsicht kann ich mich sehr glücklich schätzen.
Wie schätzen Sie es ein: Ist es möglich, die Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen?
Kral: Ich würde diese Frage nicht von einem Programm oder einer Finanzausstattung abhängig machen. Vielmehr ist es ausschlaggebend, wie wichtig den Düsseldorfern der Klimaschutz ist. Wenn die Verwaltung diese Unterstützung bekommt, dann halte ich es für ein realistisches Ziel.