Mode Genderless: Die geschlechtslose Mode ist in Düsseldorf angekommen
Düsseldorf · Die Debatte um mehr Freiheiten bei der Zuordnung des Geschlechts schlägt sich auch in der Mode nieder. Immer mehr Labels machen Kleidung, die von Männern und Frauen getragen werden kann. Auch in Düsseldorf.
Seit mehr als zwei Jahrhunderten dient Kleidung eindeutig als Mittel zur Bestimmung und Differenzierung des Geschlechts von Menschen, sowie der Geschlechterrollen und Verhaltensweisen, die sich daraus ergeben; sodass Menschen über Generationen hinweg begriffen haben, was ein Mann oder eine Frau, die als solche erkannt werden wollen, anziehen sollten. Aber Gesellschaften verändern sich, und in einem Umfeld, in dem die Geschlechterdebatte heutzutage nicht nur wegen der Anerkennung der sozialen Forderungen von Frauen und Homosexuellen, sondern auch wegen schon offenkundiger Probleme der genetischen und physischen Einordnung — wie Intersexualität und Androgynismus — geführt wird, stellt sich immer deutlicher heraus, dass die Klassifizierung in Mann und Frau sozial unbefriedigend ist, wenn sie eine Person in ihrer Gesamtheit definieren soll.
Die Modeindustrie ist sich dieser Veränderungen bewusst und dies zeigt sich seit einigen Jahren durch „Genderless Mode“ oder „Mode ohne Gender“, also ohne geschlechtsspezifische Zuordnung. Auch in Düsseldorf ist diese modische Ausrichtung angekommen.
Die Erfahrung, einen Laden zu betreten und ein Kleidungsstück zu wählen, das gefällt, ohne über die Größe nachzudenken oder sich fragen zu müssen, ob das nun ein Kleidungsstück für einen Mann oder eine Frau ist, erschiene manchen Menschen doch etwas unwirklich. Für das Label „Ela Selected“ jedoch, mit Geschäftsräumen an der Volmerswerther Straße 21, ist dies seit Jahren schon Teil des Konzeptes. Dieses von Gabriela Holscher-Di Marco geleitete Unternehmen gehörte schon immer zur Avantgarde der Mode, und, obwohl der Begriff „Genderless“ etwas Neues für sie war — sie kannte eher den Begriff „Unisex“-, ist dieses neue Konzept an Kleidungsstücken zu begreifen; Kleidungsstücke sowohl von deutschen und ausländischen Herstellern, aber auch aus ihrer eigenen Kollektion.
Und das sind die Merkmale von Genderless-Mode:
1. Es besteht keine Übereinstimmung bezüglich der Bezeichnung, da viele Firmen weiterhin die Bezeichnung „Unisex“ verwenden, um diese Mode zu definieren.
2. Die Designs und Schnitte passen für verschiedene Körper.
3. Die Kleidungsstücke können eine einzige Größe oder die üblichen Größen (S-M-L gleich für Frauen und für Männer) aufweisen, die ggf. mittels Riemen und anderem Zubehör individuell eingestellt werden können.
4. Aber das auffälligste Merkmal dieser Mode ist, dass es die Persönlichkeit des Trägers ist, die darüber entscheidet, welches Kleidungsstück zu ihm passt und ob er es tragen soll oder nicht — im Unterschied zu voreingestellten Kategorien dessen, was eine Frau oder ein Mann in der Regel tragen sollte. Es ist dann jedem Individuum freigestellt, im Moment des Ankleidens seine persönlichen Grenzen festzulegen.
Frauen tragen bereits Hosen — jetzt sind die Männer dran
In dem Prozess der Gewöhnung und Anwendung von Genderless-Mode ist es offensichtlich, dass Frauen bereits ihren Teil der Aufgabe eingelöst haben, weil es heutzutage in unserer Gesellschaft niemanden mehr verblüfft, eine Frau in Hosen, Hemden oder Anzügen zu sehen. Also in Kleidung, die früher gemeinhin nur für Männer üblich war. Die Frage stellt sich nun: Und die Männer? Sind sie gleichfalls bereit, diese Modevorgaben aufzubrechen und das Neue anzunehmen?
In einer Studie des Frankfurter Zukunftsinstituts von 2015 heißt es, dass „die männlich strukturierte Gesellschaft mehr und mehr weibliche Züge integrieren wird, bis hin zur gesamtgesellschaftlichen „Androgynität. In einer androgynen Gesellschaft wird jeder einzelne Mensch mehr und mehr sein persönliches Potenzial leben können, ohne in traditionellen Formen des Frau - bzw. Mann-Seins gefangen zu sein.“
Veit Alex ist seit vier Jahren Model. Er war auch für Shows bei der „Platform Fashion“ im Juli in Düsseldorf gebucht. Das Besondere: Er ist Androgynous-Model. Er sagt: „Schon lange sage ich gerne, dass es an der Zeit ist, die Emanzipation des Mannes zu beginnen.“
Ein weiteres Beispiel für diesen Prozess des Abbaus traditioneller Stereotypen ist die Modedesignerin Fenja Ludwig, die vergangenen Juli im NRW-Forum ein Mode-Spektakel namens „Schöpfer & Muse“ inszenierte, in dem die Muse ein Mann war. Sie drückt es ganz entschieden so aus: „Die Mode lebt vom Wandel und nun wandelt sich halt etwas. Es ist Zeit, die Geschlechterrollen auch äußerlich anzugleichen oder zu überschneiden.”
Die Genderless-Mode lädt nicht nur dazu ein, unser Verständnis für und die Verwendung von Kleidung zu verändern, sondern will auch den Anstoß geben, unsere Art zu denken zu verändern und Gender-Themen ganz grundsätzlich anzugehen. Wenn man auch gemeinhin sagt, dass Düsseldorf in Bezug auf Mode eine konservative Stadt ist, hält Alex Iwan, Gründerin der PR-Agentur „Textschwester“ dagegen: „Die Düsseldorfer sind sehr fashion-affin und die Stadt hat eine sehr junge und experimentelle, liberale Szene.“ Sie hat Hoffnung für die Genderless-Mode in dieser Stadt — und wahrscheinlich auch guten Grund dafür.