Herz, Kreislauf, Knie: Der Medizintourismus boomt

Immer mehr Araber und Russen lassen sich in Düsseldorf behandeln.

Düsseldorf. Perfektes Englisch, harter Akzent: Wenn Martin Schicht einen dieser vermeintlichen Irrläufer am Telefon hat, spitzt der Sprecher des Verbunds Katholischer Kliniken Düsseldorf die Ohren. Die Stimme am anderen Ende der Leitung verheißt bares Geld, denn sie kündigt den Düsseldorf-Besuch eines Patienten an, der das deutsche Gesundheitswesen ebenso wertschätzt wie das Einkaufsangebot an der der Kö.

Immer mehr Touristen, vor allem aus dem arabischen Raum und Russland, reisen nach Düsseldorf und lassen sich medizinisch versorgen. Kliniken und die städtische Marketing-Gesellschaft DMT stellen sich darauf ein. „Wir haben zu Beginn des Jahres in unserer Meerbuscher Reha-Klinik St. Mauritius ein Büro eingerichtet mit Personal, das sich ausschließlich um unsere internationalen Patienten kümmert“, sagt Martin Schicht. Hotelbuchung, Flughafentransfer, Freizeitprogramm — der Gast muss sich um gar nichts selber kümmern. Ein Pool mit arabisch und russisch sprechenden Mitarbeitern steht zum Dolmetschen bereit.

„Der Medizintourismus ist eine super Geldquelle“, sagt Susanne Dopheide, Sprecherin der Universitäts-Kliniken. 2010 wurden dort 560 Patienten aus Ländern wie Kuwait, Saudi-Arabien und Russland stationär behandelt. Seit 2005 hat sich diese Zahl nahezu verdoppelt. Mit den seit sechs Jahren konstant wachsenden Krankenzahlen füllt sich auch die Klinikkasse. Zum Vergleich: 2005 bescherten die Medizintouristen der Uni einen Umsatz von zwei, vier Jahre später von bereits sechs Millionen Euro.

Ihre Leistungen bietet die Uni-Klinik daher auf Medizin-Messen in Moskau und Dubai an. Ziele, die auch die städtische Marketing Gesellschaft im Auge hat. Sie schickt im September Mitarbeiter zu Workshops nach Kuwait-City, Doha (Katar) und Dubai. Thema: „Gesundheits- und Medizintourismus“.

Einen Prospekt in arabischer Sprache bereitet der katholische Klinik-Verbund gerade speziell zum Thema Diabetes vor. „Wir behandeln deswegen in unseren Kliniken überwiegend Menschen aus arabischen Ländern, aber zunehmend auch Kasachen“, sagt Schicht und ergänzt: „oft sehr gutbetuchte Menschen.“

Mit schwerreicher Kundschaft beschäftigt sich auch Cyrus Heydarian, Direktor des Breidenbacher Hofs. Die Luxusunterkunft an der Kö gehört zu den wenigen Hotels in Deutschland, die zwei Privatkliniken beherbergen. Mit Dietrich Baumgart, Chef einer Privatpraxis für Innere Medizin mit direktem Zugang zum Breidenbacher Hof, reist Heydarian neuerdings um die Welt, um, wie er sagt, „die Destination Düsseldorf zu verkaufen“.

Gerade waren die Herren in Moskau, im Oktober geht es nach Saudi-Arabien. Freizeit, Shoppen, Medizin — in dieser Reihenfolge wirbt Heydarian für Düsseldorf und Umgebung. „Die medizinische Versorgung hat eine immer größere Bedeutung.“ Er schätzt, dass der Anteil seiner Hotelgäste, die sich aus medizinischen Gründen in Düsseldorf aufhalten, bei sechs bis acht Prozent liegt.

Gefragt ist bei der internationalen Kundschaft der solide Herz-Kreislauf-Check ebenso wie die Behandlung von Gefäßerkrankungen. An der Uni werden vor allem die Kliniken für Frauenheilkunde und Orthopädie sowie die Kinderkrebsklinik frequentiert. „Sie sind auf hohem Niveau spezialisiert. Das zieht“, sagt Dopheide.

Nahezu unberührt vom Medizintourismus ist hingegen die Landesklinik für psychiatrische Erkrankungen. „Wir können diese nicht heilen, ohne das Umfeld zu kennen und einzubeziehen“, sagt Oberarzt Jaroslav Malevani. „Außerdem gibt es oft hervorragende deutsche und englische Psychologen vor Ort. Von Dubai etwa weiß ich das ganz genau. Wir könnten hier nichts Besseres anbieten.“

An einen Fall erinnert er sich aber doch. Die Ehefrau eines Ölmagnaten aus Katar, der mit seiner Familie in Düsseldorf Urlaub machte, suchte ihn auf, nachdem ein Neurologe ihr eine Depression bescheinigt hatte. „Davon konnte jedoch nicht die Rede sein“, sagt Jaroslav. Für die Sitzung berechnete er der Privatpatientin 160 Euro. Da bekam die Frau große Augen. Sie hatte bislang noch für keine medizinische Untersuchung in Düsseldorf unter 700 Euro bezahlt.