Hexen-Urteil steht am Pranger
Im Jahr 1738 wurden in Gerresheim zwei Frauen verbrannt. Jetzt sollen die Opfer endlich rehabilitiert werden.
Düsseldorf. Auf dem Gallberg im Dorf Gerresheim bei Düsseldorf spielen sich am 19. August 1738 grausame Szenen ab: Nach 18 Monaten Ermittlungsarbeit wird ein Urteil von Richter Johann Weyrich Sigismund Schwarz vollstreckt. Die 16-jährige Helena Curtens und 47-jährige Agnes Olmans werden an der Hinrichtungsstätte vor den Augen der Bevölkerung verbrannt.
Die öffentliche Verbrennung soll laut Schwarz als wirksame Abschreckung und pädagogisches Exempel dienen. Das Vergehen der beiden Frauen: erwiesene Teufelsbuhlschaft und Gotteslästerung. Während durch das Rheinland der Wind der Aufklärung weht, scheint im Dörfchen Gerresheim das finstere Mittelalter noch nicht vorbei zu sein.
Eine der letzten Hexenverbrennung Europas zieht bis heute ihre Kreise und beschäftigt die Düsseldorfer immer noch. Seit 1970 zeigt ein Brunnen in Gerresheim die Hinrichtungsszene, ein eigenes Denkmal bekamen die vermeintlichen Hexen im Jahr 1989. Jetzt beschäftigt sich sogar die Düsseldorfer Stadtverwaltung mit dem 273 Jahre alten Fall.
Der Grund: Andreas Vogt hat einen Antrag beim Anregungs- und Beschwerdeauschuss gestellt. Der Stadtrat soll beschließen, dass die beiden verurteilten Hexen öffentlich rehabilitiert werden. Das nützt Helena Curtens und Agnes Olmans zwar auch nichts mehr, Vogt will aber mit der Rehabilitation ein Zeichen setzen: „Es wäre ein Symbol der Stadt gegen Mobbing, Gewalt und Ausgrenzung.“
Auf das Thema gekommen ist der Düsseldorfer durch ein ungewöhnliches Hobby: Vogt ist Mitglied bei den „Düsselhexen“, ein Verein, der jährlich am 30. April in den Harz fährt und als Hexen verkleidet an der Walpurgisnacht auf dem Brocken teilnimmt. Von anderen „Hobby-Hexen“ erfährt Vogt, dass es schon in mehreren Städten Rehabilitationsverfahren gegeben hat.
Im Juli schreibt er deshalb an Oberbürgermeister Dirk Elbers, im November könnte Vogts Anliegen im Anregungs- und Beschwerdeausschuss verhandelt werden. „Einen so skurrilen Antrag hatten wir allerdings noch nicht“, sagt Ausschussvorsitzender Franz-Dieter Simons (CDU).
Kein Antrag ohne Gegenantrag: Frei nach dem Motto „Was Recht war, muss auch Recht bleiben“ versucht jetzt ein weiterer Düsseldorfer, die Rehabilitierung der beiden Frauen zu verhindern. Das Urteil müsse im Kontext des damaligen Zeitgeists und Rechtssystems gesehen werden. Außerdem könne auch etwas an dem Vorwurf der Hexerei dran gewesen sein.
„Der Gegenantrag klingt verwirrt und nicht nachvollziehbar“, sagt Vogt. Ihm gehe es auch nicht um eine juristische, sondern um eine sozialethische Rehabilitation. Die Stadt Düsseldorf prüft jetzt, ob die Anträge auf die Tagesordnung der Ausschusssitzung kommen, will sich vorerst nicht zum Thema äußern.