„Ich wünsche mir Dackel auf Rezept“
Gehen für die Fitness: Sportprofessor Ingo Froböse über die gesundheitsfördernde Wirkung von Spaziergängen — und warum Hundebesitzer grundsätzlich einen Schritt voraus sind.
Neben dem gesellschaftlichen Wert des Spazierengehens (Jahr des Flanierens, um nur ein Beispiel zu nennen) steht es natürlich außer Frage, dass das Laufen an der frischen Luft auch gesundheitliche Vorteile mit sich bringt. Mehr noch, zahlreiche Studien belegen eine Vielzahl von Benefits für den regelmäßigen Spaziergänger. Spaziergänge sollen demnach die Herzgesundheit und die Fitness verbessern, Stress lindern, die Gedächtnisleistung verbessern und präventiv gegen Augenkrankheiten wie den Grünen Star wirken — und natürlich beim Abnehmen helfen. Ist das jetzt der neue Volkssport? Kann spazieren gehen Sport ersetzen? Das fragt man besser einen Experten. Ingo Froböse ist einer: Er ist Universitätsprofessor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Er hat das Spazierengehen ebenfalls in mehreren Studien erforscht.
Herr Froböse, können wir jetzt alle aufhören, zu joggen oder ins Fitnessstudio zu gehen, und nur noch Spaziergänge machen?
Ingo Froböse: Ganz so ein Allheilmittel sind Spaziergänge sicher nicht, sie ersetzen keine Trainingseinheit. Wobei es da auch auf den Ausgangspunkt ankommt.
Sie meinen, ob jemand schon trainiert ist oder gar nicht?
Froböse: Genau. Für gänzlich untrainierte Menschen ist ein strammer Spaziergang sicher schon eine Ausdauereinheit. Vor allen Dingen ist das Spazierengehen ein wunderbarer Einstieg in das aktive, das trainierte Leben. Wichtig ist dabei, nicht zu schlendern, sondern schon ein Tempo zu wählen, bei dem Herz- und Atemfrequenz ein wenig nach oben gehen. 45 bis 60 Minuten am Stück sind ideal und für die meisten absolut im Rahmen des Möglichen.
Gib es dabei Motivationshilfen?
Froböse: Wissen Sie, manchmal wünsche ich mir den Dackel auf Rezept. Denn das haben unsere Studien auch schon gezeigt: Wer einen Hund hat, der muss sich einfach viel mehr bewegen, als jemand ohne Hund. Er kann die Spaziergänge ja nicht einfach absagen. Und wer dann noch ein flottes Tempo wählt, tut einiges für seine Gesundheit.
Zum Beispiel?
Froböse: Überlegen wir doch mal, wo wir genetisch herkommen. Der Mensch ist in seinem Ursprung Hetzjäger. Unsere Vorfahren sind 25 bis 30 Kilometer am Tag gelaufen. Und dafür sind unsere Körper grundsätzlich ausgelegt. Mittlerweile lassen sich aber die meisten Gänge zu Fuß vermeiden, es gibt ja Lieferdienste, Auto und Bahnen. Man sollte aber versuchen, so viel wie möglich zu Fuß zu erledigen.
Hilft denn Spazierengehen alleine schon beim Abnehmen?
Froböse: Sagen wir so: 60 bis 70 Prozent der aufgenommenen Kalorien verbrennt der Körper beim Nichtstun, um den Apparat am Laufen zu halten. Eine Stunde strammes Spazierengehen verbrennt vielleicht 300 oder 400 Kalorien, je nach Gewicht. Das alleine ist zwar nicht unglaublich viel — aber auf Dauer verändert das aktivere Leben den Fettstoffwechsel des Körpers, wer viel geht, dessen Verbrennung ist eine höhere. 10 000 Schritte pro Tag sind ein gutes Maß, das sind etwa sechs Kilometer oder eine Stunde.
Wie sieht es mit sportlichen Menschen aus, bringen denen Spaziergänge auch etwas?
Froböse: Ja. Man wird in keinem Trainingsplan eines Leistungssportlers eine Spazier-Stunde finden. Der Belastungsreiz ist dafür zu gering. Aber was man nicht vergessen darf: Wer drei mal in der Woche eine Stunde joggen geht, der kann zwar schon stolz auf sich sein, die Woche hat aber ganze 168 Stunden. Das sind dann gerade mal zwei bis drei Prozent der Woche, die mit Sport verbracht wurden. Deshalb müssen auch diese Menschen Bewegungspunkte im Alltag sammeln. Auch deren Stoffwechsel wird dadurch dauerhaft angekurbelt.
Was ist denn dabei der Unterschied zwischen Joggen und Spazieren?
Froböse: Joggen findet schnell im Belastungsbereich statt, also im anaeroben Bereich. Der Körper verbrennt dann Zucker, also Kohlenhydrate. Fett wird bei niedrigeren Herzfrequenzen verbrannt. Und außerdem genießen die Sportler auch alle anderen Vorzüge des Spazierengehens.
Und das sind welche?
Froböse: Unsere Studien mit Kindern zeigen, dass Vokabeln bei einfacher motorischer Bewegung besser gelernt werden können. Auch schrumpfen die Sorgen bei Bewegung. Das kennt jeder sicher, ist auch ganz einfach erklärt: Wenn ich gehe, sind Teile des Gehirns mit der Motorik beschäftigt, also blockiert. Es fällt dann schlicht schwerer, sich an Gedanken festzubeißen. Und wer morgens zur Arbeit geht, kommt viel frischer und wacher an, andersherum hilft das abendliche Nachhausegehen beim Gedankensortieren und lässt einen besser zur Ruhe kommen.
Der Osterspaziergang mit der ganzen Familie findet nicht unbedingt in einem strammen Tempo statt, ist er dennoch auch unter Gesundheitsaspekten sinnvoll?
Froböse: Unbedingt. Das Gehen regt ja auch die Peristaltik an, das Stück Torte nach dem üppigen Osterbrunch lässt sich dann schon mal besser abbauen.