Immer mehr Senioren handeln mit Drogen

Die Zahl der Verdächtigen hat sich in den letzten Jahren verdoppelt. Jetzt fand die Polizei eine Plantage auf dem Balkon einer 75-Jährigen.

Düsseldorf. In der englischen Komödie „Grasgeflüster“ verwandelt eine Witwe ihre Orchideenzucht in eine Rauschgift-Plantage, um die Schulden ihres Mannes zu bezahlen.

Was eine Rentnerin bewogen hat, auf den zwei Balkonen ihrer Wohnung in Pempelfort Cannabis anzupflanzen, wollte die 75-Jährige der Polizei nicht verraten. Fest steht, dass immer mehr Täter über 60 Jahren im Bereich der Drogen-Kriminalität auffallen. Die Zahl hat sich seit 2004 mehr als verdoppelt.

Im Fall der 75-Jährigen hatte die Polizei einen Tipp bekommen. Als die Drogenfahnder klingelten, öffnete ihnen die Dame die Tür und führte sie auf den Balkon. Die Beamten staunten, denn dort standen 71 bis zu 1,30 Meter große Cannabis-Pflanzen.

Sie wurden sichergestellt und vernichtet. Gegen die Hanf-Züchterin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des illegalen Anbaus von Betäubungsmitteln eingeleitet. „Das war schon eine ganze Plantage“, sagt Polizeisprecherin Susanna Heusgen.

Sogar in großem Stil mischen Senioren beim Drogenhandel mit. So wurde ein 71-Jähriger zu sechs Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Er hatte mit der chinesischen Drogen-Mafia 200 Tonnen Kokain aus Peru geschmuggelt. Das als Chemikalientransport getarnte Rauschgift wurde in Göteborg entdeckt.

„Der Alte“, wie er von seinen Komplizen genannt wurde, hatte in Neuss eine Lagerhalle angemietet, um das Kokain unterzubringen, das einen Marktwert von mehr als 20 Millionen Euro hatte. Da der 71-Jährige mehrfach vorbestraft war, musste er die Strafe auch antreten.

Für Aufsehen sorgte auch der Fall von Christine L., Ehefrau des verstorbenen PR-Chefs einer Düsseldorfer Brauerei. Die 74-jährige wurde im April in Oslo zu einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt.

Die Rentnerin war erwischt worden, als sie auf einer Fähre von Kiel nach Oslo elf Kilo Heroin bei sich hatte. Christine L., die zur Düsseldorfer Lokalprominenz zählte, beteuerte zwar, vom Inhalt des Koffers nichts gewusst zu haben — das Gericht nahm ihr diese Version jedoch nicht ab.

Dass das keine Einzelfälle sind, zeigt die Statistik des Landeskriminalamtes. Die Zahl der über 60-jährigen Täter unter den Drogenkriminellen hat sich in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt. Gab es 2004 genau 80 tatverdächtige Senioren, waren es im vergangenen Jahr 177, darunter 31 Frauen.

Wie LKA-Sprecher Frank Scheulen erklärt, mache sich der demografische Wandel auch hier bemerkbar: „Die jungen Täter werden eben auch älter und viele sind offenbar durch das Leben nicht geläutert worden.“