„In Via“: Das menschliche Gesicht der Stadt
„In Via“ hilft seit 100 Jahren in Düsseldorf. Eine Ausstellung zeigt die Geschichte von Bahnhofsmission und Luisenheim.
Düsseldorf. Auf den ersten Blick haben die beiden Institutionen nichts miteinander zu tun. Dass sich genaueres Hinsehen aber dennoch lohnt, zeigt der Historiker Ulrich Brzosa. Denn die Geschichte der Düsseldorfer Bahnhofsmission und des Luisenheims, inzwischen ein Altenheim in Eller, sind aufs Engste verknüpft. Obwohl beide Institutionen noch älter sind, hat Brzosa den 100. Geburtstag des Trägervereins „In Via“ für ein neues Buch und eine Ausstellung im Forum 8 genutzt.
Rückblende: Ende des 19. Jahrhunderts zieht es immer mehr Menschen in die aufstrebende Industrie- und Verwaltungsstadt Düsseldorf. Vor allem für viele Frauen aus dem ärmeren ländlichen Umland verspricht sie die Hoffnung auf Arbeit und ein kleines bisschen Wohlstand.
Aber die Großstadt birgt auch Gefahren. Der Düsseldorfer Hauptbahnhof war schon damals kein gutes Pflaster. Gleich mehrere organisierte Menschenhändlerringe reißen sich um die unbedarften, jungen Frauen, um sie entweder als rechtlose Arbeiterinnen in den Fabriken zu versklaven oder um sie gleich in die Prostitution zu zwingen. Doch wo Unrecht herrscht, sind auch Menschen, die helfen wollen.
1902 gründet sich die Düsseldorfer Bahnhofsmission. Hauptaufgabe damals: Den Reisenden eine sichere Unterkunft zu vermitteln, damit sie in der unbekannten Großstadt nicht unter die Räder kommen. „Es entstand ein regelrechter Wettlauf zwischen Bahnhofsmission und den Zuhältern um die Mädchen“, sagt Ulrich Brzosa. Vier Jahre später konnte der Trägerverein — damals noch der Katholische Mädchen schutzverein, heute In Via — auf der Klosterstraße ein eigenes Mädchenschutzheim eröffnen — die Geburtsstunde des Luisenheims. Ab 1912 wurde das Heim von Vinzentinerinnen geführt.
Im Dritten Reich wurde die Bahnhofsmission erst verdrängt und dann verboten. Auch das Luisenheim litt in der Zeit: „Es wurde 1942/43 komplett ausgebombt und fand eine Unterkunft in Schloss Eller — bis die örtliche Hitlerjugend auch ausgebombt wurde und ins Schloss zog“, sagt Brzosa. Für das Luisenheim ging die Reise weiter — in die Villa Graffweg an der Schlossallee. Nach dem Krieg wurde es zum Lehrlingsheim für junge Frauen, die in der Hauswirtschaft arbeiteten. „Nach unseren Maßstäben war das Leben im Luisenheim damals streng“, erklärt Brzosa, „aber man darf nicht vergessen, dass es das in den Familien in den 50er Jahren auch war.“
Nach dem Krieg ging es natürlich auch für die Bahnhofsmission weiter — mit wechselnden Aufgaben. Waren es zunächst die Kriegsheimkehrer, um die sie sich kümmerten, kamen ab den 50er-Jahren die Gastarbeiter dazu, später dann Flüchtlinge aus Osteuropa und Drogensüchtige. Auch heute noch ist die Bahnhofsmission für viele Menschen in Not das menschliche Gesicht der Stadt — seit über 100 Jahren.