Künstler zeigt Zukunftsvisionen von Städten ganz ohne Menschen

Hartmut Neumann zeigt in der Galerie Beck & Eggeling Gemälde, in denen eine sehr kunstvolle Natur die Skyline der Metropolen überzieht.

Foto: Alistair Overbruck. VG Bild-Kunst, Bonn

Chicago ist eine der größten Städte in den USA. Ihre Skyline wird von Wolkenkratzern bestimmt. Auf dem Gemälde des Kölner Malers Hartmut Neumann, der sein Gemälde „Chicago 2110“ nennt, sieht man von Bürotürmen allerdings nichts, nur eine rotbraune Schraube, die sich in den Bilderrahmen zu winden scheint. Keine Spur vom Millionen-Volk, dafür jede Menge biomorpher Strukturen. Nach einer fixen Idee des Malers könnte Chicago in hundert Jahren nicht vom grauen Beton, sondern vom Wasserblau bestimmt sein. Viel Natur, aber keine Menschen. In drei Panorama-Bildern zeigt er in der Galerie Beck & Eggeling, wie er sich die urbane Welt in der Zukunft ausdenkt.

Für einen Künstler wie Neumann, der die Malerei nicht nur praktiziert, sondern auch als Professor an der Kunstakademie Braunschweig lehrt, sind die Farben mit den Formen identisch. So gibt es keine „überbordende Natur“, wie der aktuelle Katalog behauptet, auch keine entleerten Landschaften und keine Orientierungslosigkeit. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Formale Ornamente, klar komponierte Farben und eine überbordende Fülle von Einzelheiten bestimmen die Werke in der Ausstellung. „Die Architektur des Bildes ist extrem wichtig“, sagt der Künstler. „Seit Beginn meines Studiums in Bremen ist jede Linie genau überlegt. Ich male im Jahr nur sechs bis sieben große Formate. Und selbst die Anzahl kleiner Bilder liegt bei höchstens zwölf Arbeiten.“

In seinen drei großen Städtebildern, die er zeigt, überwiegt jeweils ein Farbton. Im Chicago-Bild ist es die blaue Farbe, und er könne nicht sagen, warum. Im Amsterdam-Bild lag die Anleihe bei den gelben Getreidelandschaften im van Gogh-Museum. Warum aber plötzlich auch der Farbkreis von Kandinsky auf die Leinwand kommt, sei ihm selbst ein Rätsel. Die Spontaneität ist glücklicherweise nicht ganz ausgeschaltet.

„Peking“ ist sicherlich das suggestivste, prächtigste, klarste Bild der Ausstellung. Wenn die Chinesen wüssten, wie schön ein Deutscher ihren „Roten Platz“ zumindest in der Fantasie beschreibt. Wie eine Koralleninsel zentriert sich die Farbe am Rand als helles, feuriges Rot. Neumann kostet die gesamte Palette aus, vom Zinnoberrot über Mittelrot und Orangerot bis zu Rubinrot und Purpur. Und er verbindet das Ganze durch Stege und quallenartige Strukturen.

Vor allem aber analysiert er die Farben in ihrem Zusammenspiel. Dem Rot setzt er das komplementäre Grün in diversen Büschen entgegen. Und wer den Bogen verfolgt, der die Komposition durchzieht, gelangt zu den kälteren, bläulichen Violett-Tönen. „Das Grün erwartet bei mir das Violett. Das korrespondiert mit dem Rot. Ich mache jedes Jahr ein bis zwei rote Bilder, und frage mich dabei, wo ich die Helligkeit setze“, sagt er.

Eine Balance aus Mikro- und Makro-Kosmos ist dies. Perfekt in Szene gesetzt. Seit den Tagen als Student setzt er er die Farben klar und bestimmend. Er weiß, was er tut. Trotzdem ist er kein Theoretiker, sondern genießt die Farbmalerei.

Bei Beck & Eggeling hängen neben den Großformaten auch kleinere Bilder, sogenannte „Gegenbilder“. Da er sich als Maler wie ein Lehrer immer Aufgaben stellt, spricht er diesmal von Städten in 200 Jahren. Denen geht die Farbpracht ganz offensichtlich aus. Die Details wirken dekorativ, die Farben häufig eher sparsam. Neumann gibt sich nämlich eine unendliche Mühe, die Farbreize der Großformate in die kühle Strenge zu übersetzen.