Annette Messager: Von Anfang an mit schwarzem Humor
Annette Messager, Gewinnerin des Goldenen Löwen in Venedig, baut derzeit ihre Ausstellung in der Kunstsammlung K 21 auf.
Düsseldorf. Die französische Künstlerin Annette Messager machte früh mit kleinen Spatzen aus Vogelfedern auf sich aufmerksam. Später entwickelte sie ein großes Welttheater aus bloßen Stofftieren. 2005 erhielt sie den Goldenen Löwen der Biennale in Venedig. Jetzt bereitet sie eine Retrospektive im K 21 vor.
Frau Messager, von weitem wirken Ihre Arbeiten fast kindlich. Beim näheren Hinschauen verschwindet das Liebliche. Wie kommt es zu diesen Beklemmungen in Ihrem Werk?
Annette Messager: Den schwarzen Humor habe ich von Anfang an in meinen Arbeiten. Jetzt ist er vielleicht noch etwas dunkler und düsterer geworden. Es geht bei mir immer um das Unheimliche und Groteske. Aber die ausgestopften kleinen Spatzen gingen durchaus in diese Richtung.
Was sind das für Tiere in der Installation „Sous vent“ (Unter Wind), die die Kunstsammlung K21 angekauft hat?
Messager: Das wird alles noch mit einem großen, dunklen, durchscheinenden Tuch bedeckt und von Ventilatoren bewegt, so dass man die Dinge nicht ganz genau sieht. Das Tuch füllt sich wellenartig mit Luft, manchmal wird der Stoff etwas höher geblasen, manchmal liegt er etwas tiefer. Die Elemente erscheinen und verschwinden je nach der Windstärke. Es hängt vom Menschen ab, ob er unter der Plane Sachen erkennt oder nicht. Die Assoziation ist sehr wichtig.
Im Nebenraum steht Ihre Installation „Motion/Emotion“ (Bewegung/Gefühl). Sie wirkt wie absurdes Theater — alles bläst sich auf und fällt in sich zusammen. Warum benutzen Sie so simple Materialien?
Messager: Sie müssen einfach und alltäglich sein, aber dennoch fantastisch wirken. Elemente, die schlicht sind, spiegeln den Alltag wider. Was mich interessiert, ist das Leben. Und ich mag das Kino. Lola Montez ist mein Lieblingsfilm.
Und der bunte Rock, der flatternde Hut, der Ballonsack, das wirbelnde Haar?
Messager: Der Ballon gehört zu König Ubu, dieser Person, die sich aufbläht. Beim roten Röckchen denken viele Besucher an die Monroe. Alles ist ganz simpel.
Ihre Arbeiten wirken aber, als sei dabei mehr Hochkultur als Alltag im Spiel . . .
Messager: Ich gehe viel in die Museen. Ich kenne natürlich die Kunstgeschichte. Ich liebe die Art Brut (Kunst von Laien, Kindern; Anm. d. Red.)
Manchmal arbeiten Sie mit Wortbildern, „Chaos“ oder die etwas verrutschte „Ikone“ etwa. Lieben Sie Schrift?
Messager: Ich hätte gern schreiben können. Aber das ging nicht. Deshalb bin ich beim Wort geblieben. Wenn man es aus dem Zusammenhang reißt, bekommt es einen anderen Sinn. Das einzelne Wort wird zu einer eigenen Geschichte. Dann rutscht die „Ikone“ eben ab.
Man hat Sie früher gern mit Plüschtieren in Verbindung gebracht. Auch jetzt hängen welche an der Wand. Sind diese Plüschtiere eine Erinnerung an Ihre Kindheit?
Messager: Ich hatte nie Stofftiere als Kind gehabt. Und Puppen haben mich überhaupt nicht interessiert, weil sie nicht weich sind und weil man mit ihnen nicht arbeiten kann. Plüschtiere erinnern mich an Dankesobjekte in der katholischen Kirche. Sie sind gebraucht, weil ich nie neue Materialien benutze.
Zu Ihrer Biografie: Sie leben mit Christian Boltanski zusammen, ein großer Künstler wie Sie selbst. Ich stelle mir zwei Menschen vor, die physisch und psychisch aufgeladene Räume schaffen. Wie funktioniert das: Zwei so große Künstler in einem Haus?
Messager: Wir sind nicht verheiratet. Ich bin nie in seinem Atelier, und er nie in meinem. Wir gehen nie auf eine Ausstellung des anderen. Er kommt jetzt auch nicht nach Düsseldorf. Aber wir kennen uns sehr gut.