Herr Kalkofe, Herr Rütten, eigentlich feiert man ja die besten Filme aller Zeiten. Sie haben den Spieß umgedreht und „ehren“ die Schundfilm-Klassiker in einer Fernseh-Sendung. Was brachte Sie auf diese Idee?
Interview mit Oliver Kalkofe und Peter Rütten „Auch schlechte Filme müssen gefeiert werden“
Rütten · INTERVIEW Kabarettist Oliver Kalkofe und Comedy-Autor Peter Rütten schufen etwas Neues: Sie würdigten die „Schlechtesten Filme aller Zeiten“ (kurz „SchleFaZ“) im Fernsehen. Nun startet die nächste Staffel mit einer Preview im Alltours-Open-Air-Kino.
Im Jahr 2013 gingen Oliver Kalkofe und Peter Rütten mit ihrer satirischen Filmreihe „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“ („SchleFaZ“) zum ersten Mal auf Tele5 auf Sendung. Gemeinsam präsentieren sie Trash-Movies, die durch ihre miserable Machart, Fehler und unfreiwillige Komik auffallen. Kalkofe und Rütten kommentieren die „Schlefaze“ mit bissigen Kommentaren. Am Donnerstagabend kommen die beiden ins Alltours-Open-Air-Kino und leiten mit „Plan 9 aus dem Weltall“ die neue SchleFaZ-Saison ein. Die WZ sprach mit Kalkofe und Rütten darüber, warum auch schlechte Filme gewürdigt werden sollten.
Oliver Kalkofe: Die besten Ideen entstehen meist aus Spaß oder wenn man was getrunken hat. Als ich bei Tele5 anfing und der Sender zu der Zeit viele Trash-Filme im Programm hatte, sagte ich: Warum präsentiert man die nicht stolz erhobenen Hauptes? Auch schlechte Filme haben schließlich ihre Berechtigung und sind extrem wichtig, schon um die wirklich guten schätzen zu lernen. Alle behaupten immer, sie hätten die besten, auch wenn es keiner beweisen kann. Also warum macht man nicht eine Reihe und sagt mutig: Wir haben die schlechtesten Filme aller Zeiten! Alle, die Filme lieben, haben schließlich auch ihre Erfahrungen mit miesen Filmen gemacht und ihre persönlichen Traumata durchlitten. Diese werden aber lieber verschwiegen, darüber spricht man nicht. Und immer werden nur die besten gefeiert, dabei haben es die schlechten genauso verdient.
Wie reagierte Tele5 auf Ihre Idee?
Oliver Kalkofe: Man mochte die Idee und sagte sofort: Ja, mach doch da was draus! Obwohl ich anfangs noch gar nicht wusste, wie überhaupt. Aber dann habe ich mich mit Peter Rütten zusammengefunden und das Format entwickelt, allerdings haben wir nicht geahnt, was daraus alles entstehen würde.
Herr Rütten, was reizte Sie daran, „SchleFaZ“ mitzugestalten?
Peter Rütten: Als Olli mich mit der Idee konfrontierte, hatten wir das Gefühl, es könnte interessant sein, sich mit den miserablen Filmen im Tele5-Fundus zu beschäftigen. Da ich damals mit den Rüttens-Bullshit-Synchro-Clips („Rüttens Bullshit Universum“, Anm. d. Red.) bei Tele5 zu der berüchtigten Intelligenz-Offensive 2012 beigesteuert habe, war das eine schöne Grundlage anzufangen. Heute stellen wir fest: Wir können immer noch weitermachen.
Kommen wir auf den Film zu sprechen, mit dem Sie die neue „SchleFaZ“-Staffel starten und der auch im Alltours-Open-Air-Kino Premiere feiern wird: „Plan 9 aus dem Weltall“ aus dem Jahr 1959 von Regisseur Ed Wood Jr. wurde bereits in Amerika „zum schlechtesten Film aller Zeiten“ gewählt. Sie sagen, es wäre der „Grundstein für das Genre der Trash-Filme“. Inwiefern?
Kalkofe: Wir behaupten mehr oder weniger, Ed Wood ist der Erfinder des schlechten Films und hat ihn salonfähig gemacht. Von den 1930er bis in die späten 1970er Jahre hat sich das Film-Genre – wie das Fernsehen – sehr ernst genommen. Man wollte große Kunst machen – selbst wenn man nicht viel Budget oder Talent hatte und es am Ende nur Trash wurde. Aber misslungene Filme wirklich zu feiern und sich darüber zu amüsieren, wo ungewollt was in die Hose geht – das entstand erst spät in den 1980ern mit dem Golden Turkey Award. Es war der erste Preis für schlechte Filme – und da kam Ed Wood mit „Plan 9 from Outer Space“ mühelos auf den ersten Platz. Somit hat er das Genre ungewollt gestartet, nämlich schlechte Filme zu zelebrieren und nicht nur verschämt zu ignorieren.
Was genau machte „Plan 9 aus dem Weltall“ zum Sieger des Golden Turkey Award?
Kalkofe: Ed Wood war ja befreundet mit dem weltberühmten „Dracula“-Darsteller Bela Lugosi und hat ihm immer Rollen vermittelt. Als „Plan 9 aus dem Weltall“ rauskam, war Lugosi aber schon drei Jahre tot. Doch Ed Wood wollte einen bekannten Namen aufbieten. Und er hatte noch drei Szenen, die er noch kurz vor dessen Tod mit ihm mal gedreht hatte: Als er aus dem Haus rausgeht und wie er mit einem Dracula-Mantel aus dem Wald kommt – und die hat er einfach mehrfach in den Film reingeschnitten. Dann hat er den Chiropraktiker seiner Frau den Rest der Rolle spielen lassen, der aber überhaupt keine Ähnlichkeit mit Bela Lugosi hatte, und dementsprechend musste er immer einen Umhang vor sein Gesicht halten. Das ist großartig! (lacht)
: Da wird im Inneren eines Raumschiffs ein Vorhang hingehängt, ein Tisch hingestellt und fünf alte Radios darauf, und die haben irgendwelche Kostüme an, die aus alten Ritter-Filmen geklaut sind, da stehen drei Leute im Raum – das ist die Invasion der Außerirdischen. Da gibt es Ufos, die an Nylonfäden hängen und mit einer Angel ins Bild gehoben werden. Man sieht in jedem Moment den Dilettantismus, egal, ob im Buch, im Schauspiel, in der Regie, in der Ausstattung. Hinzu kommt der sympathische Größenwahn eines untalentierten Filmemachers. Das ist etwas, warum man den Film auch sehr lieben kann.
Neben Bela Lugosi sind dem Film ja noch andere Kult-Figuren entwachsen, etwa der Wrestler Tor Johnson oder die TV-Ansagerin Maila Nurmi als Vampira. Wie erklären Sie sich das?
Rütten: Es waren ja Figuren, die bekannt waren, und die jetzt allein durch ihre skurrile Optik für einen großen Wiedererkennungswert gesorgt haben. Der Wrestler mit seinen riesigen Muskeln und seiner Bedrohlichkeit versucht auch zu schauspielern, kann es aber gar nicht. Das ist unglaublich lustig. Die Vampira diente sicherlich als Vorlage für Morticia Addams oder Elvira, aber auch die Rolle gab es schon. Ed Wood hat sich an bekannten Bildern bedient, aber ungewollt wurden diese Figuren für viele Leute wieder eine Vorlage für andere oder größere Figuren.
Nun kam „Plan 9 aus dem Weltall“ 1959 heraus, als Amerika im Kalten Krieg steckte. Es war aber auch das Weltraumzeitalter. Die Vereinigten Staaten lieferten sich mit der Sowjetunion einen Wettlauf ins All. Im Film tauchen Ufos auf, Außerirdische, die Angst vor der Solarbombe. Ist der Film damit nicht auch ein Spiegel seiner Zeit?
Kalkofe: Auf jeden Fall! Man sieht ja auch, dass Ed Wood versucht, eine Message zu vermitteln. Da ist der Gedanke von Frieden und dass die Menschheit sich nicht selber vernichten soll, denn damit ist sie nicht nur eine Gefahr für sich, sondern auch für andere. Aber das ist so plump und unlogisch in den Film gehauen, dass es niemand verstehen kann. Und die Amerikaner verhalten sich wirklich wie die dümmsten Klischee-Amis. Würde Donald Trump einen Film machen, dann wäre er wahrscheinlich wie „Plan 9 aus dem Weltall“. Wenn man den Film in voller Länge, nüchtern und ohne unsere Begleitung schauen würde, könnte man ihn kaum ertragen, aber als wissenschaftliches Objekt und als Party- und als SchleFaZ-Streifen ist der einfach fantastisch!
Sie sprachen von Traumata, die Trash-Filme bei Ihnen ausgelöst haben, Sie zeigen sich von diesem Genre aber auch fasziniert. Prägt Sie diese doppelte Sichtweise auf diese B-Movies?
Kalkofe: Als Kind oder Jugendlicher habe ich im Kino ganz viele schlechte Filme gesehen, und ich dachte, das wären gute. Entweder habe ich sie begeistert gefeiert oder ich fand sie irgendwie doof, dachte aber, das wäre meine Schuld, weil ich damals auch noch davon ausging, wenn schon so viele Leute sich so viel Mühe geben, so einen teuren Film zu machen und der sogar ins Kino kommt, dann muss der ja gut sein, dann hab ich ihn vielleicht nicht verstanden oder bin noch zu jung dafür. Ich habe zum Beispiel lange dafür gekämpft, den Film „Invasion aus dem Innern der Erde“ für uns zu kriegen, weil ich den mit elf im Kino gesehen habe und begeistert war, wie sich billige Gummi-Monster und Kung-Fu-Leute auf die Schnauze hauen. Schlechte Filme und gute Trash-Filme haben immer auch einen Hauch von kindlicher Naivität, sie lassen einfach die Fantasie spielen, trauen sich Dinge zu zeigen, die sich seriöse Filmemacher nie trauen würden, weil es halt einfach zu bescheuert ist.
Ihre neue Staffel setzen Sie fort mit „Hausfrauen-Report 3“, „Evil Toons“, „Dirndljagd am Kilimandscharo“, „Laserkill – Todesstrahlen aus dem All“. Wie wählen Sie aus dieser Masse an B-Movies Ihre SchleFaZ-Favoriten aus?
Kalkofe: In der ersten Staffel haben wir noch genommen, was auf den Tisch kam. Da sind wir nur in das alte Tele5-Archiv gegangen, dann haben wir aber sehr schnell gesehen: Schlechter Film ist nicht gleich SchleFaZ, das heißt, wir hatten am Anfang ja selbst keine Ahnung, was aus der Sendung wird, aber mit der Zeit haben wir gesehen, woran die Fans am meisten Spaß haben. Momentan schaue ich täglich einen Film nach dem anderen nebenbei, etwa während ich noch Mails beantworte. Wenn ein Film etwas für uns ist, kommt er auf die Wunschliste und Tele5 versucht, die Rechte zu bekommen. Das ist ein langwieriger Prozess. Ich habe gerade Hunderte von DVDs und BluRays gekauft, zum Teil zu immens hohen Preisen, weil es gerade so eine Welle gibt, dass wirklich wahnsinnig schlechte Filme, die sonst keiner mehr für einen Euro auf einen Grabbeltisch kaufen würde, als streng limitierte Media-Box rauskommen, die toller sind als der ganze Film, aber die kosten dann 35 bis 45 Euro.
Hängen Ihnen all die B-Movies aber denn nicht irgendwann zu Hals heraus?
Rütten: Uns geht es darum, immer wieder Filme zu finden, die uns und dem Publikum etwas Neues bieten. Wenn man schon hundert gemacht hat, läuft man sonst Gefahr, sich irgendwann zu wiederholen oder zu langweilen und dann wird’s auch für den Zuschauern langweilig.
: Aber fernab vom Spott und den Witzen, die wir machen, und der Ironie, mit der wir da rangehen, ist „SchleFaZ“ das Format im deutschen Fernsehen, das am meisten Begeisterung und Liebe zum Film zeigt. Nirgendwo werden schlechte Filme und der Film an sich derart gefeiert.
Was erwartet die Zuschauer bei der Open-Air-Preview in Düsseldorf?
Kalkofe: Wir sind live vor Ort und zeigen den fertigen Film als Preview. Also ohne Werbung, in einem Stück. Das ist von allen Preview-Veranstaltungen die bisher größte, weil zwischen 1500 und 2000 Leute erwartet werden. Das ist schon ein Hammer, damit haben wir nicht gerechnet. Aber das Wichtige ist, dass wir diesen Film und das Gesamtkunstwerk, was daraus entstanden ist, gemeinsam schauen und zusammen feiern. Das war nie so geplant, aber SchleFaZ ist ein echtes Party-Format. Die Fans haben damit angefangen. Sie schickten uns Bilder, wie sie ihr Wohnzimmer dekorieren, sich Essen zum Film machen, Cocktails mixen und das richtig zelebrieren. Schlechte Filme allein angeschaut sind einfach nur schlechte Filme. Aber wenn man sie mit mehreren gemeinsam guckt, sie kommentiert und über sie lachen kann, dann können sie richtig Spaß machen. Aus Schlechtem etwas so Schönes entstehen zu lassen, ist doch die beste Form von Alchemie, die man sich vorstellen kann. Wir machen wirklich aus Scheiße Gold.