London Philharmonic Orchestra Bruckners 4. Symphonie: Konzertbesuch wird zum Kuraufenthalt fürs Gemüt
Das London Philharmonic Orchestra glänzte mit Anton Bruckners 4. Symphonie unter Leitung von Robin Ticciati.
Düsseldorf. Musik kann die Seele fluten mit wohligsten Klängen, wenn Könner am Werk sind wie das London Philharmonic Orchestra. Steht dann noch ein zugleich feinsinniger und persönlichkeitsstarker Dirigent wie Robin Ticciati am Pult und die Vierte Symphonie Anton Bruckners auf dem Programm, wird ein Konzertbesuch gewissermaßen zum Kuraufenthalt fürs Gemüt. Beim Heinersdorff-Konzert am Samstag gab es nun solchen Kunstgenuss in der Tonhalle.
Nicht umsonst gilt das London Philharmonic als eines der besten Orchester der Welt. Es verfügt über eine perfekte Klangbalance und exzellente Instrumentengruppen. Vor allem die Blechbläser bereiten Vergnügen durch ihr kultiviertes und präsentes Spiel. Das zahlt sich bei Bruckner, bei dem choralartige Bläser-Passagen zentrale Rollen spielen, freilich ganz besonders aus. Sauber und agil spielte die Hörner-Gruppe, die ihren großen Auftritt im Scherzo-Satz hat, dessen Eckteile an Jagdhorn-Rufe erinnern.
Der junge britische Kapellmeister Ticciati setzt derweil Akzente nicht nur dort, wo die Partitur ohnehin schon ihre effektvollsten Kulminationen aufweist, sondern auch an Stellen, die eher unscheinbar daherkommen wie der lyrische Mittelteil des Satzes. Dieser „Trio“ genannte B-Teil jedes Scherzos erinnert in Bruckners Vierter etwas an Lieder Franz Schuberts und könnte geradewegs aus der „Schönen Müllerin“ entsprungen sein. Nicht alle Interpreten können hier die Spannung aufrecht erhalten. Doch Ticciati gestaltete die Stelle so konzentriert und mit Liebe zum Detail, dass sie aufblühte wie die Knospe eines gegossenen und sonnenbeschienenen Heiderösleins.
Unterdessen erweist sich der amtierende Chefdirigent des Scottish Chamber Orchestra als guter Architekt beim Bau weiter Spannungsbögen, die vom ersten bis zum letzten Satz das musikalische Geschehen überwölben. Allerdings birgt ein so analytisches, transparentes Dirigat auch dazu, dass Spontaneität abhanden kommt. Das Ganze wirkt klug durchkalkuliert und dadurch auch sehr berechenbar. Mithin kommt etwas von jener Mystik abhanden, die nur zwischen den Tönen entstehen kann.
Der Abend begann bereits brillant mit Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll. Geiger Christian Tetzlaff verfügt über eine glänzende Spieltechnik, durch die er selbst an den schwierigsten Stellen den Eindruck erweckt, als sei alles ganz leicht. Tetzlaffs Ton ist filigran und hell, sein Spiel so sauber, dass man glaubt jede einzelne Note vor sich zu sehen. Tetzlaff schmiert nichts, sondern setzt auf nüchterne Klarheit. Steril erscheint sein Spiel aber nicht. Leise gefühlvolle Stellen entfalten den zarten Schmelz, der die Emotionen des Hörers hervorkitzelt. Allerdings fehlt dem Hamburger Musiker an den dynamischen Höhepunkten etwas die Dramatik, vor allem am Schluss, der denn doch etwas verhaltener wirkte als bei manchen Kollegen. Dennoch begeisterter Beifall und eine superb gebotene Zugabe: die Gavotte en Rondeau aus Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 3 E-Dur.