Theater Düsseldorfer Bürgerbühne: Ein Winternachtstraum mit 13 jungen Wilden
Düsseldorf · Premiere im Schauspielhaus: Die jungen Akteure verwandeln Shakespeares Komödien-Klassiker „Was ihr wollt“ in eine wilde Bühnen-Party.
Der 18-jährige Tristan Rheinbay mit Kurzhaarschnitt und plüschigem Hochzeitskleid oder Finn Cosmo Faust (19) in durchsichtigem langem Rot oder Celina Fette (18) in saloppem Jungs-Outfit und Indoor-Mütze. Sie alle sind gestrandet in Illyrien – auf der Wunsch-Insel, auf der jeder machen kann, was er will. Die 13 jungen Männer und Frauen im Alter von 14 bis 22 hat Joanna Praml in ihrem neuen Bürgerbühnen-Stück auf einen Komödien-Klassiker von William Shakespeare angesetzt.
Und sie leben sich aus nach Herzenslust – gelenkt von sanfter Regisseurinnen-Hand. Sie treiben es toll, lassen die Sau raus, feiern Party, schnurren Songs, grölen und skandieren, wie man es von Oberstufen-, Club- oder Abi-Partys kennt. Und flirten auf Teufel komm raus: Jungs mit Mädchen, Mädchen mit Mädchen, Jungs mit Jungs. „Ich küsse gerne Jungs. Dann muss ich ja nicht gleich auf Männer stehen“, so Finn Cosmo. Frei nach „Was Ihr wollt“ überschreiten die Wilden 13 Geschlechtergrenzen. Sie leben und reden – zumindest 95 Bühnen-Minuten lang im Kleinen Haus am Gründgens-Platz – endlich ohne drohenden Zeigefinger von Eltern und Pädagogen. Werden dafür (auch von Letzteren!) nach der ausverkauften Premiere bejubelt und gefeiert.
Boys und Girls scheinen ebenso vertraut mit dem Thema „männlich-weiblich“ wie mit Halskrausen, Pump- oder Pluderhosen mit Schamkapseln, langen Gewändern oder Unterwäsche. Zudem agieren alle selbstverständlich mit Requisiten, wirken keine Sekunde gekünstelt. Erstaunlich, wie Joanna Praml das mal wieder geschafft hat.
Ausgangspunkt ist, wie im Original, die unglückliche Liebe von Herzog Orsino zur Gräfin Olivia. Wer welche Rolle spielen darf und will, fechten die jugendlichen Laien-Darsteller lautstark und übermütig aus. Zuerst teilen sie mit einem Vorhang Bühne und Zuschauerraum, wollen dem Publikum zwei Fassungen bieten: rechts die Mädchen, links die Jungs. Doch nach Trubel und Streit reißt Orsino den Vorhang nieder. Irrungen und emotionale (Ver-)Wirrungen nehmen ihren Lauf – wie im Original, in dem man nach kurzer Zeit nicht mehr weiß: Wer mit wem?
Nebel steigt auf. Es ist die zwölfte Nacht (zwischen Weihnachten und Dreikönigstag) in Illyrien. Und jetzt bekommt Malvolio sein Fett ab. Der Bösewicht und eitle Pfau (sensibel und körperbetont gespielt von Dennis Mertens) gilt als Störenfried ihres Winternachtstraums. So spielen die anderen ihm einen fingierten Brief von „WS“ zu. Die Initialen von William Shakespeare sind dieselben wie von Intendant Wilfried Schulz. Letzterer setze ganz auf seine Qualitäten und habe einen wichtigen Job für ihn. Die kabarettistische Einlage präsentieren die Mimen frisch, frech und frei von der Leber weg. Und der Hausherr mit verschmitztem Lächeln eines Papa Gutmut zur Kenntnis nimmt.
Doch so leichtfüßig und unbekümmert das Verwirrspiel mit Schülern, Studenten und Auszubildenden streckenweise über die Rampe kommt – in Momenten, wenn es um wirklich tiefe Gefühle geht, halten sie inne. Werden leise, umarmen sich oder ringen um Worte. Doch keine Panik! Zum Schluss kredenzen die Darsteller ein Happy End. Geht nicht ohne. Das wissen sie, fahren dabei aber keine billige Hollywood-Verschnitt-Schiene. Es lohnt sich.
2., 12. Oktober, 16., 28. November. Tel: 36 99 11.