Ballett-Premiere Choreograf Martin Chaix inszeniert „Atmosphères“ am Düsseldorfer Ballett am Rhein
Düsseldorf · Am Freitag ist die Premiere von „Atmosphères“. Jedoch ist der Franzose nicht zum ersten Mal in Düsseldorf.
Halblang fallen seine dichten Locken herab, ein Kinnbart, weite Trainingsklamotten. Lässig die Ärmel hochgezogen. Darunter erscheint ein auffälliges Tatoo. Ein Koi – der Fisch, der für Japans Adel lange ein Statussymbol war – ziert den kräftigen Unterarm von Martin Chaix. Bis 2015 als Tänzer des Balletts am Rhein wäre das nicht möglich gewesen. Aber als „Freischaffender Choreograph“ ist das kein Problem mehr. Derzeit kreiert er sein zweites Werk für seine ehemaligen Kollegen: „Atmosphères“ (Stimmungen) nach Musik von Ligeti, Beethoven und Penderecki. Uraufführung ist am Freitag im Opernhaus im Rahmen des neuen Ballett-Dreiteilers „b.39“.
Den Koi in leuchtenden Farben, erzählt der Südfranzose in fast akzentfreiem Deutsch, hat er sich 2018 in Japan eintätowieren lassen. Als er in Tokio ein Stück mit einer Nachwuchs-Kompanie einstudiert hatte. „Der Koi steht für Hartnäckigkeit“, sagt er. „Die brauche ich besonders als Freischaffender.“
Schon früh hatte Chaix den Wunsch, zu choreografieren
Choreographieren – Musik in Bewegung und Tanzbilder umsetzen, sich damit auszudrücken – das war schon früh sein Wunsch, als er in der Pariser Opéra 2006 sein Opus 1 herausbrachte. Chaix, 1980 im südfranzösischen Albi (nahe Toulouse) geboren, studierte an der Talentschmiede der Pariser Oper, gehörte sieben Jahre zur traditionsreichen Vorzeige-Kompanie Frankreichs, bevor er als Solist in Leipzig engagiert wurde und 2009 Schläpfers Ruf nach Düsseldorf folgte. 2015 löste er sich aus dem festen Engagement.
„Das war ein Sprung ins kalte Wasser“, erinnert er sich. Martin Chaix, heute 38 Jahre alt und seit über zehn Jahren mit der brasilianischen Tänzerin Mariana Dias liiert (die beiden erwarten demnächst ihr zweites Kind), hat lange über diesen Schritt nachgedacht. Sie ist bis heute im Ballettensemble, er wagte den Absprung, vielleicht auch, weil ihm einige Angebote vorlagen, u.a. aus Gelsenkirchen und Saarbrücken. Außerdem war Chaix bereits als Choreograph erfolgreich, hatte etwa 2014 in Bonn Schuberts „Winterreise“ für Klavier und Saxophon in tanztheatralische Bilder gesetzt, mit Mitgliedern des Rhein-Balletts. Der romantische Liederzyklus dreht sich um existenziellen Schmerz, spannt sich von überschwänglicher Freude hin zu hoffnungsloser Verzweiflung.
Beides passt zum sympathisch offenen, aber nachdenklichen Künstler, der trotz relativ jungen Alters bereits persönliche Erfahrung mit dem Tod gemacht hat. Als er 18 war und gerade in der Pariser Kompanie begonnen hatte, starb plötzlich sein Vater, für ihn ein wichtiger Bezugspunkt. Ein Schock für den jugendlichen Martin. Wenn das alles auch vor 20 Jahren geschah, so beschäftigt ihn dieser Todesfall noch heute – und steht im Hintergrund seiner Uraufführung „Atmosphères“. Es geht in seinem dreiteiligen Stück zwar nicht direkt um den Vater, sondern um die Themen körperliche Anwesenheit, plötzliches Verschwinden und die Frage: „Wie machen wir weiter?“ Zum letzten Teil sagt er: „Da geht es ums Heute – „mit einem Sohn von drei Jahren und der Erwartung auf das zweite Kind schaut man in die Zukunft“.
Und sein Stil? Ist der nicht sehr von Martin Schläpfer geprägt? Nicht nur, Chaix hat u.a. auch in Choreographien von Mats Ek, Marco Goecke, Uwe Scholz, Edouard Lock und der 2009 verstorbenen Pina Bausch getanzt. Mit ihr studierte er 2006 – damals in Paris als Tänzer – die legendäre Wuppertaler Tanztheater-Produktion „Orpheus und Eurydike“ ein. Und war bei Bauschs Pariser Premiere mit von der Partie. „Was ich selbst getanzt habe, steckt auch in meiner Tanzsprache drin“ sagt er. Bei einigen seiner neoklassischen Stücke traten bisher die Ballerinen in Schläppchen auf, in „Atmosphères“ jedoch in Spitzenschuhen. „Ich glaube, dass ich meinen eigenen Stil allmählich gefunden habe.“ Den Beweis dafür will er am Freitag liefern.
Premiere „b.39“: „Dances with Piano (Hans von Manen), Atmosphères (Martin Chaix), 44 Duos (Martin Schläpfer), am Freitag um 19.30 Uhr, Karten 21 bis 81 Euro.