Colm Tóibín stellt seinen neuen Roman „Long Island“ in Düsseldorf vor Warum einsame Iren dem Papst schreiben

Düsseldorf · Der irische Autor Colm Tóibín las im Heine-Haus aus seinem Buch „Long Island“.

Der Schriftsteller Colm Tóibín widmet sich in seinem neuen Buch dem Unausgesprochenen.

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Mit seinem Roman „Brooklyn“ wurde der irische Schriftsteller Colm Tóibín (geboren 1955 in Enniscorthy) vor mehr als zehn Jahren international bekannt. Erzählt wird in dem Buch die Geschichte einer jungen Irin, die in den 1950er-Jahren nach Amerika auswandert, dort heiratet und doch an Jim – ihrer Liebe in Irland – hängt. Mit seinem neuen Buch „Long Island“ bietet der Autor eine Fortsetzung und stellte diese jetzt im Heine-Haus vor. Trotz Heimspiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn und einer äußerst trubeligen Bolkerstraße war die Lesung ausverkauft.

Das mag auch an der Verfilmung des ersten Romans mit Saoirse Ronan liegen. Aber auch daran, dass die Deutsch-Irische Gesellschaft ihre Mitglieder zum Besuch bei Müller & Böhm geladen hatte. Doch der Autor bot auch überaus spannende Einblicke in seine schriftstellerische Arbeit. Nach dem Erfolg des ersten Romans habe er immer gesagt, eine Fortsetzung käme ihm nicht in den Sinn, erzählte Tóibín im Gespräch mit dem Moderator Thomas Böhm. Aber dann hätten sich bei ihm ganz bestimmte Handlungsmuster immer mehr verdichtet. Zum Beispiel eine Szene, die jetzt den Anfang der Handlung bildet.

Bestimmte Handlungsmuster waren ein Grund für Fortsetzung

Vor dem Haus der Protagonistin Eilis auf Long Island steht plötzlich ein Fremder. Der behauptet, dass ihr Mann Toni mit seiner eigenen Frau ein Kind gezeugt habe. „Weil er Ire ist, glaubt sie ihm sofort“, erzählte der Autor: „Mir aber ging es dabei vor allem um die Idee, dass am Anfang des Romans etwas sehr schnell passiert, was dann im weiteren Verlauf hinterfragt und dramatisiert wird.“ Handlungszeit ist das Jahr 1976: „Da ging es für kurze Zeit in meiner Heimat mal nicht um den Nordirlandkonflikt, da gab es Zeit für Privates.“

Tóibíns großes Thema sind die sprachlichen Ausdrucksmängel seiner Figuren, die fehlenden Worte für Gefühle und Empfindungen. Das Unausgesprochene zieht sich wie ein roter Faden auch durch den neuen Roman. „Wenn man in Irland einsam ist und nicht mehr weiter weiß, dann schreibt man eben dem Papst“, hieß es im Gespräch. Immer wieder habe er sich die Frage gestellt: Warum sagen die Leute nicht, was sie denken? Und wenn sie es dann sagen, warum ist da kein Raum für Zwischentöne? Für einen Schriftsteller andererseits sei es sehr schwer, etwas zu schreiben, dass der Leser nicht erwartet. Dazu gehöre natürlich auch der Ehebruch: „Ich selbst glaube, dass Gott den Ehebruch erschaffen hat, damit die Romanautoren etwas zu schreiben haben.“

Um also nicht in Richtung Schmonzette zu driften, bedürfe es einer distanzierten Erzählhaltung. Sie müsse die dramatischen Möglichkeiten sehen, ohne dabei schnell zu urteilen: „Schreiben ist eine sehr detaillierte, langsame Arbeit. Wenn man anfängt, Wünsche oder einen größeren philosophischen Rahmen anzustreben, verliert man das Buch.“