Düsseldorf Der steinige Weg zum Schauspielschüler
Michael und Eva beginnen bald ihr Schauspielstudium. Das Rüstzeug haben sie im Theaterlabor Traumgesicht bekommen.
Düsseldorf. Dass er Schauspieler wird, war für den Düsseldorfer Michael Schröder vor zwei Jahren unvorstellbar. „Dafür habe ich mich nie interessiert“, sagt der 23-Jährige. Ein Besuch im Düsseldorfer Schauspielhaus verändert alles — und Schuld ist ein Mädchen. „Wir schauten uns ein Stück an. Ich war ziemlich verknallt, doch sie fand nur die Schauspieler auf der Bühne toll. Um ihr zu imponieren, habe ich mit dem Theaterspielen angefangen.“
Die Schwärmerei verfliegt schnell, doch Michael hat Blut geleckt. Er meldet sich zum Unterricht im TheaterLabor TraumGesicht an. „Ich habe hier in einem Jahr unglaublich viel gelernt. Emotionen zuzulassen, meinen Körper auf der Bühne richtig einzusetzen. Und an mich zu glauben.“
Auch Eva Dorlass hat der Unterricht viel gebracht. „Dass man mit vielen Älteren zusammenspielt, hat mir gefallen, weil die Atmosphäre viel lockerer ist. Nicht jeder denkt an einen Studienplatz, viele kommen, weil sie einfach Spaß an der Sache haben.“ Der Älteste ihrer Mitspieler feiert bald seinen 80. Geburtstag.
Anders als Michael will die 20-Jährige Schauspielerin werden, seit sie denken kann. Beide sind diesem Traum jetzt ein großes Stück näher gekommen — nach einer ziemlichen Odyssee: An fast allen der 14 deutschsprachigen Schauspielschulen haben beide in den vergangenen Monaten vorgesprochen. „Druck und Stress sind immens. Man muss aufpassen, die Lust am Spiel nicht zu verlieren“, sagt Michael. „Man trifft immer wieder die gleichen Leute, jeder ist ein potenzieller Konkurrent.“ Er bekommt letztlich den Zuschlag an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock, Eva studiert bald am Max Reinhardt-Seminar in Wien.
„Beide sind an renommierte Häuser gekommen“, freut sich Schauspiellehrer Wolfgang Keuter vom Theaterlabor. „Es gibt auch Schüler, die jahrelang auf einen Platz warten.“ Zusammen mit dem Designer und Künstlerischen Leiter Gianni Sarto leitet Keuter den gemeinnützigen Verein, der Menschen jeder Altersgruppe in ihrer künstlerischen und persönlichen Entwicklung fördern will — seit 30 Jahren. „Manche verwechseln den Unterricht mit reiner Selbsterfahrung, dabei geht es vor allem darum, diese Erfahrungen zur Kunst werden zu lassen“, sagt Keuter.
Mit jedem, der dazukommen will, führen die beiden Leiter ein persönliches Gespräch. „Die Hingabe zum Spiel muss erkennbar sein“, sagt Gianni Sarto. „Wir müssen merken, dass jemand ernsthaft interessiert ist.“ Der Unterricht verläuft dialogisch und improvisatorisch, Hemmungen werden abgebaut und das prägnante Darstellen und Sprechen gefördert. Regelmäßig werden Ensemble-Stücke inszeniert und aufgeführt.
Wolfgang Keuter lässt seine Schützlinge Michael und Eva nur schweren Herzens ziehen. „Aber beide werden ihren Weg machen“, ist er überzeugt. Später will Eva vor allem selbstbewusste Frauen verkörpern. „Ich habe oft Elektra und Gudrun Ensslin vorgesprochen und beide Rollen geliebt“. Michael hat an Figuren von Tschechow Gefallen gefunden. „Von vielen, die schon studieren, hört man oft Sätze, die einem Furcht einflößen sollen. Dass es so zeitintensiv ist, so hart, und man sich nicht mehr wiedererkennt.“
Der Düsseldorfer will sich davon nicht abschrecken lassen. „Ich bin irre gespannt auf die nächsten vier Jahre.“ Wolfgang Keuter ermutigt ihn: „Die Schauspielschule war für mich damals der entscheidendste Wendepunkt, die intensivste Zeit meines Lebens, eine echte Notwende. Wäre ich nicht dorthin gegangen, wäre ich verreckt.“