Ausstellung im Hetjens-Museum Eine ganz andere Seite des Dieter Nuhr
Düsseldorf · Der Kabarettist ist auch bildender Künstler. Seine Fotografien verknüpft er nun mit Aufnahmen von Objekten des Hetjens-Museums.
Für Keramik habe er sich zuvor nie sonderlich interessiert, sagt Dieter Nuhr. Das änderte sich bei einem Rundgang im Hetjens-Museum auf Einladung von Museumsleiterin Daniela Antonin. „Mein erster Besuch dauerte viereinhalb Stunden“, erzählt der Kabarettist und Satiriker, der vor seiner Bühnenlaufbahn Kunst und Malerei in Essen studiert hat: „Plötzlich hatte ich ein komplettes Geschichtsbild über 10 000 Jahre vor Augen und dachte: Was für ein geiles Museum!“
Nuhrs Erleuchtung mündete in der Sonderausstellung „Reisezeit – Zeitreisen“, die ab Dienstag bis zum 31. Juli zu sehen ist. Die 30 Werke verbinden seine Fotografien aus zehn Ländern mit frischen Aufnahmen von Objekten aus dem Bestand des Hetjens: „Aber anfassen durfte ich sie nicht.“ Für die künstlerische Bearbeitung nutzte Nuhr das Medium der digitalen Malerei. „Mich wundert, dass nicht mehr Künstler damit experimentieren“, sagt er: „Sie halten offenbar lieber an handwerklichen Traditionen fest.“
Der Prozess ähnele der analogen Malerei. Beide Male müsse man sich für bestimmte Pinsel und Farben entscheiden: „Mit dem Unterschied, dass der digitale Datensatz, mit dem ich meinen Pinsel belege, den künstlerischen Ausdruck vervielfältigt. Ich empfinde das als stark erweiternd.“ Ihm gefällt auch die Unabhängigkeit von Materialien und Zubehör. Und ihn begeistern die „Rückgängigmachen“-Funktion und die Möglichkeit, ein Bild einfach stehen zu lassen und mit der Kopie risikolos etwas auszuprobieren, „falls mich der Weg in die Irre führt“.
Seit jeher ist Dieter Nuhr ein Reisender. „Ich lebe von der Bühne, dadurch konnte ich mir die aufwendige Leidenschaft erlauben, die entlegenen Ecken der Welt zu erkunden und zu malen“, erzählt er. Vor Corona war er jedes Jahr mindestens fünfmal unterwegs, sein Horizont reicht von Patagonien bis Nordkorea. Bolivien, China und Sambia waren seine letzten Ziele. Wie immer fotografierte er, was er in sich aufnahm. Seine Arbeit beruhe aber nicht auf einer zielgerichteten Wahrnehmung, stellt er klar, eher auf dem Prinzip „reisen, gucken, staunen“.
Der Stillstand bewog ihn
zur Sichtung seines Archivs
Nie hatte er außerhalb dieser langen Reisen fotografiert. Plötzlich konnte er nicht mehr weg und merkte, wie sehr ihm das fehlte. In dieser Phase des Stillstands auf allen Ebenen begann er mit der Sichtung seines Archivs. Entdeckte aus neuem Blickwinkel, wie malerisch seine Bilder auf ihn wirkten. Und welche Emotionen sie weckten. „Man reist nicht nur im Raum, man reist auch in der Zeit“, sagt er: „Für mich begann diese fesselnde Rückschau 1976 mit einer Norwegenreise mit meinen Eltern. Mit einer Asientour Anfang 2020 endete sie.“ Bald hofft er, wieder aufbrechen zu können – in den Irak, den Senegal, nach Georgien.
Der Rundgang im Hetjens und die Ermunterung von Antonin inspirierte Nuhr zur Idee, seine persönliche Zeitreise mit Stücken aus dem Museumsbestand zu koppeln. „Auch hier blickt man tief in die Vergangenheit“, sagt er: „Keramik, die Tausende von Jahren alt ist, hat eine besondere Aura. In Kombination mit digitaler Malerei erhalten Stücke, die in eine Hand passen, tolle neue Effekte.“ Im Ausstellungsraum sind einige der Objekte, die er verwendet hat, zu sehen.
„Bevor ich auf die Bühne ging, wollte ich bildender Künstler werden“, erzählt Nuhr. Dann aber bog er das begonnene Studium auf Lehramt um. Dem Vater und der Sicherheit zuliebe. Und auch, weil er sich die Selbstvermarktung nicht zutraute. Irgendwann wurde ein Galerist auf ihn aufmerksam und ebnete ihm den Weg in die einst ersehnte künstlerische Richtung. Sein Bestand an eigenen Werken ist umfangreich: „Ich habe viele Lagerräume verschlissen. Bei einem Wasserschaden sind Tausende von Zeichnungen abgesoffen.“ Er hänge gar nicht sehr an seinen Bildern, beteuert er. Dass sie heute aber zu Ausstellungen rund um den Globus unterwegs sind und Eingang in Museen finden, macht ihn stolz und glücklich.
Welche Identität hat Vorrang, der Kabarettist oder der bildende Künstler? Kurz kommt Nuhr kurz ins Grübeln. „Ich habe gerne viele Identitäten und möchte das eine ohne das andere nicht sein“, antwortet er: „Meine Texte und meine Bilder entstehen aus dem, was ich auf meinen Reisen sehe. Das lässt sich nicht trennen.“ Komme er zu einer seiner Ausstellungen, wüssten die Leute inzwischen, dass es sich nicht um eine kabarettistische Veranstaltung halte: „Ich muss nicht immer Witze machen, ich kann auch anders auf die Welt schauen. Dennoch betrachte ich sie mit Humor. Weil man es sonst nicht aushält.“