Tanzhaus NRW in Düsseldorf Ein Festival rund um den Flamenco

Düsseldorf · Das Tanzhaus lädt ab 28. Oktober zum Flamenco-Festival. Der Kurator und eine Tänzerin erklären, was die Ausdrucksform ausmacht.

Tänzerin La Cati aus Düsseldorf leitet Workshops beim Festival.

Foto: Niklas Baumberger

Woran denkt man bei Flamenco? Rotes Kleid, Kastagnetten, ein Fächer, Gitarren, Spanien. Juan Carlos Lérida ist Kurator des Flamenco-Festivals im Tanzhaus NRW.; die Düsseldorfer Tänzerin La Cati gibt Workshops bei dem seit 1997 ausgerichteten Festival. Beide sind Botschafter einer Kunstform, in der rote Kleider nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Was ist Flamenco?

Flamenco ist eine Kunstform, in der sich Gesang, Tanz und Musik verbinden. Er hat seinen Ursprung im Andalusien des 19. Jahrhunderts. 2010 hat die Unesco ihn zum Immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Afrikanische, süd- und mittelamerikanische Musik, Kulturelemente der Sinti und Roma sind in die Ausdrucksform eingeflossen, in deren Zentrum meist ein solistischer Tanz und ein emotionaler Gesang stehen, begleitet von Gitarre und Perkussion. „Flamenco hat viele Klischees. Darunter sind aber auch hilfreiche Elemente wie der Bata de Cola, der Schleppenrock, oder die Kastagnetten, die gut für den Rhythmus sind“, sagt Juan Carlos Lérida, Kurator des Flamenco-Festivals in Düsseldorf, Choreograf und einer der besten Flamenco-Tänzer der Welt. „Flamenco hat eine unglaubliche Komplexität. Um ihn zu verstehen, braucht es keine Worte. Es ist eine offene Form, die sich immer weiter entwickelt“, sagt La Cati, die bei dem Festival die Anfängerkurse
leitet.

Daniel Muñoz und Paula Comitre zeigen „Elektroflamenco“.

Foto: Juan Flores Mulero

Ist Flamenco ein erotischer Tanz?

Juan Carlos Lerida, Kuratur des Flamenco-Festivals Düsseldorf.

Foto: Daniel Olsson

„Ich bin erstaunt, dass ich das immer wieder gefragt werde“, sagt La Cati. „Nein, es ist nicht in erster Linie ein erotischer Tanz. Flamenco hat viel Kraft, Energie und Leidenschaft. Daher kommt vermutlich der Irrtum.“ Innerhalb des Flamenco gebe es viele musikalische Formen, die Palos. „Sie erzählen von Gefühlswelten: von leichten wie etwa Glück oder Koketterie, aber auch von schweren wie Tod, Einsamkeit oder Leiden“, sagt die Tanzlehrerin, die mit bürgerlichem Namen Cathrin Pieper heißt. „Die Bewegung des Körpers im Tanz hat immer etwas mit Gefühlen zu tun und deshalb auch mit Verführung. Tanzen ist pulsierendes Leben, nur insofern ist Flamenco ein erotischer Tanz“, sagt Kurator Juan Carlos Lérida.

Ist Flamenco spanische Folklore?

Belén López aus Spanien ist am Samstag und Sonntag im Tanzhaus zu sehen.

Foto: Flamenca/ Tanzhaus NRW

Gegen das Etikett wehren sich die meisten Flamenco-Künstler vehement. „Spanien ist die Wiege des Flamenco, ja, aber die Tänzer passen ihn auch ihrer Kultur an. Eine Kanadierin zum Beispiel entwickelte ihren eigenen Stil, einen kalten Flamenco, geprägt von ihrem Land, in dem lange der Schnee liegt“, erzählt Lérida. In Deutschland zum Beispiel sei Flamenco oft in Ballettschulen gelehrt worden. Daraus resultiere eine enge Verbindung. Aktuell habe Japan eine große kommerzielle Szene mit starker
Infrastruktur.

Was unterscheidet Flamenco von anderen Tänzen?

Juan Carlos Lérida ist Kurator des Flamenco-Festivals in Düsseldorf.

Foto: Daniel Olsson

Anders als andere Tänze drückt der Flamenco viele Gefühle aus. „Wenn ich Tango oder Salsa tanze, bleibt das Gefühl immer das gleiche“, sagt La Cati. Flamenco ist offener. Gute Tänzer und Musiker grooven und improvisieren wie im Jazz: „Die Tänzer sind zugleich auch Musiker, denn sie arbeiten perkussiv mit den Füßen.“

Beim Flamenco tanzen Frauen in roten Kleidern mit Fächern und Kastagnetten. Stimmt das Klischeebild?

Flamenco trifft urbanen Tanz am Montag im Tanzhaus.

Foto: Heath Rasmusen

Es gibt rote Kleider, aber die Farbe spielt eigentlich eine untergeordnete Rolle. Im Übrigen tanzen auch Männer. Die anderen Accessoires sind optional und funktional wie etwa die Kastagnetten. Das Zubehör unterliegt modischen Strömungen. „Die Mode wechselt. Eine Zeitlang waren die Kleider der Flamenca glatt. Jetzt sieht man wieder Rüschen“, sagt La Cati. Unerlässlich für den Tanz seien genagelte Schuhe, die für die Fußarbeit und das Stampfen wichtig seien. Juan Carlos Lérida will vor allem die Stereotypen aufbrechen. Für ihn steht die Wahrnehmung des eigenen Körpers im Vordergrund. „Ich bin Choreograf. Ich bin ein Träumer. Die Essenz des Flamenco ist der eigene Puls und Atem. Der Körper gerät aus dem Gleichgewicht. Für mich ist deshalb der Schleppenrock ein nützliches Accessoire, weil man damit die eigene Disbalance gut spüren kann.“

Warum gibt es ein Flamenco-Festival in Düsseldorf?

Das Düsseldorfer Festival entstand 1997. Dorothee Schackow, die frühere Leiterin der Akademie am Tanzhaus, hat es ins Leben gerufen und vorangetrieben. „Das Flamenco-Festival in Düsseldorf ist einzigartig. Es entstand, um die Community zu vereinen und ihr sowohl einen Raum für Aufführungen als auch Workshops zu bieten. Lehrende, Tänzerinnen und Tänzer treffen aufeinander, kommen miteinander ins Gespräch und es entstehen neue internationale Verbindungen, die für die Entwicklung der Szene von großer Bedeutung sind“, sagt Lérida. Inzwischen kommen auch internationale Größen der Szene zu Performances, ergänzt La Cati.

Was ist das Ziel des Festivals am Tanzhaus?

Flamenco ist eine eigene Szene, fast schon ein eigener Kosmos. „Ich möchte diese Szene öffnen und durchlässig machen, indem wir verschiedene Stile mischen. Flamenco lebt. Deshalb kommen immer zeitgenössische Einflüsse hinzu. Mit dem Streetdance spricht er auch junge Menschen an. Ich möchte den Flamenco gern zurück auf die Straße bringen, wo er herkommt“, sagt der
Kurator.

Kann man Flamenco bei dem Festival ausprobieren?

Es gibt am Samstag und Sonntag, jeweils 14.30 bis 16 Uhr, Einführungs-Workshops. „Ich habe erlebt, wie sich Menschen verändert haben, nachdem sie mit dem Tanzen begonnen haben. Man darf zum Beispiel richtig Krach machen. Der Flamenco lässt niemanden kalt“, sagt La Cati.

Welches Bühnenevent eignet sich zum Einstieg?

Zum Festival werden an den fünf Tagen drei verschiedene Performances angeboten. Im „Electroflamenco“ mischt der Künstler Daniel Muñoz alias Artómatico Traditionelles mit elektronischer Musik. Bei „IM Flame“ trifft Flamenco auf urbanen Tanz. Die Tanzdarbietungen von Belén López entsprechen dem klassischen Flamenco. „Sie ist eine exzellente Tänzerin, sehr extrem, sehr exzessiv, sehr wild. Natürlich könnte man in ihrem Tanz die Rolle von Mann und Frau hinterfragen, aber ihr Tanz hat etwas sehr Romantisches. Für Einsteiger ist das sehr geeignet“, sagt Lérida.