Interview „Ich wollte als Sängerin immer eine Aussage machen“

Düsseldorf. · Interview Die weltweit gefeierte Wagner-Sängerin Hanna Schwarz singt in der Deutschen Oper am Rhein die „Gräfin“ in Tschaikowskis „Pique Dame“

Hanna Schwarz als „Die Gräfin“ in Tschaikowskis „Pique Dame“.

Foto: ja/Hans-Jörg Michel

Sie wartet still in einer Ecke der Opernkantine. Und liest. Die schlanke Frau mit langen Haaren wirkt tiefenentspannt. Kein Zoll eine Diva. Obwohl Hanna Schwarz (seit Jahrzehnten weltweit gefeierte Wagner-Sängerin) gerade eine mehrstündige Probe hinter sich hat, gibt sie sich im WZ-Gespräch offen, unangestrengt. Sie singt die „Gräfin“ in Tschaikowskis „Pique Dame“ – eine Rolle, die die international gerühmte Mezzo-Sopranistin und Altistin an vielen Musentempeln mit namhaften Regisseuren rund um den Globus bereits gesungen hat. Erst 2018 bei den Salzburger Festspielen wurde ihre Pique-Dame-„Gräfin“ und ihre ‚erstaunlich frische Stimme’ von Presse und Publikum gefeiert. In derselben Rolle debütiert Schwarz (Jg.1943) am 25. Mai in der Rheinoper.

Frau Schwarz, was für eine Frau ist die Gräfin?

Hanna Schwarz: Für mich ist sie vielleicht wie ein Hippie, die mit ihrem Verständnis von Liebe in eine konservative, bürgerliche Welt hineingerät. Und Aufsehen erregt. Die Regisseurin sieht in ihr einen Stummfilmstar, der einer vergangenen Zeit nachtrauert.

In dieser Oper steht der Spieler Hermann im Mittelpunkt und will auf Teufel komm’ ‘raus von der Gräfin das Geheimnis der Karten erfahren. Um welches Thema geht es der Regie dabei?

Schwarz: Um die Frage: Sucht oder Liebe. Der Sucht nachgeben oder eine Beziehung eingehen? Für den spielsüchtigen Herrmann stellt sich die Frage ebenso wie für Lisa, die von der Gräfin abhängig ist. Beide wählen am Ende den Weg in das Unglück. Auch Lisa, die zugunsten des Spielers auf die Liebe des reichen Fürsten Jeletzki verzichtet.

Den schwierigen Weg wählen – hat das auch mit Ihnen persönlich etwas zu tun?

Schwarz: Vielleicht. Der Weg als Sängerin ist generell schwierig und nicht vorhersehbar.

Sie hatten viel Glück, auch weil Sie als Wagner-Sängerin schnell an Topadressen der Opernwelt kamen. Hanna Schwarz – ein Glückskind?

Schwarz: Bestimmt. Bis heute. Es ist doch wunderbar, dass ich Angebote bekomme – zum Beispiel von der Met in New York.Ich darf Charaktere wie die Buryia in „Jenufa“, Herodias in „Salome“, Klytämnestra in „Elektra“ oder eben die Gräfin in „Pique Dame“ verkörpern. Es reizt mich, eine Figur zu ergründen und anders zu betrachten als üblich. Gute Regisseure und Dirigenten helfen dabei.

Sie galten ja immer als Sängerdarstellerin.

Schwarz: Ich wollte als Sängerin immer eine Aussage machen. Konventionelles Dekorationstheater interessiert mich nicht.

Früher wurden Sie in vielen „Ring“-Inszenierungen (als Erda, Fricka und Brangäne) gefeiert, oder häufig als Carmen. Bereitet Ihnen das Älterwerden keine Probleme?

Schwarz: Nein, Ihnen? (sie schmunzelt) Im Gegenteil: Es wird immer schöner. Ich verstehe nur nicht, warum es immer um das Alter geht. Das Alter an sich sagt doch gar nichts aus. Und glauben Sie mir: Alt ist das neue Schwarz. Ich hatte viel Glück mit Regisseur(inn)en, früher zum Beispiel mit Patrice Chéreau in Bayreuth und heute mit Katie Mitchell und Lydia Steier. Auch hier freue ich mich, Teil einer großen Produktion zu sein und Gast in einem Ensemble, in dem man das Stück gemeinsam entwickelt. Das war für mich immer das Wichtigste.

Und wie pflegen Sie Ihre Stimme?

Schwarz: Die altert nicht. Man braucht eine gute Technik und muss sie so trainieren wie ein Instrument. Aber ich mache heute auch häufig längere Pausen, in denen ich keinen Ton singe. 14 Tage vor Probenbeginn muss ich aber regelmäßig üben. Insgesamt ist Singen das Gesündeste, was man machen kann.

Wie halten Sie sich fit?

Schwarz: Durch Wanderungen durch die Natur und die Städte, in denen ich gerade auftrete. Möglichst zwei Stunden täglich. Und durch Schwimmen, am Liebsten in der Ostsee, in der Nähe meines Holzhäuschens.

Andere Hobbys?

Schwarz: Ich fühle mich sehr wohl im (Sprech-)Theater. Das ist für mich wie der Besuch einer Kirche – Seelennahrung. Die ist wichtiger als all das Materialistische unserer Welt. Auch wenn ich in der Oper bin, hat es für mich etwas Heilendes.

Wie sieht Hanna Schwarz den Opernbetrieb heute?

Schwarz: Für mich müssten viel mehr zeitgenössische Werke aufgeführt werden und vielleicht Dreiviertel eines Spielplans ausmachen. Dass das Publikum auch dann in Scharen kommt, habe ich beispielsweise 2006 bei der Ruhrtriennale erlebt – als Sängerin in Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“. Eine Produktion, mit der wir sogar nach New York eingeladen wurden.