Oper Ein unvergesslicher „Don Giovanni“ aus Wien in der Tonhalle

Düsseldorf · Ádám Fischer dirigierte die konzertante Aufführung von Mozarts „Oper aller Opern“.

Die Wiener Staatsoper gastierte mit „Don Giovanni“ in der Düsseldorfer Tonhalle.

Foto: Susanne Diesner

Manchmal möchte man Mäuschen spielen und einen Blick in den Kopf eines derart von Musik durchdrungenen Menschen werfen, wie beispielsweise Mozart es war. Was wird er gefühlt und gedacht haben, als er die von seinem Librettisten Lorenzo Da Ponte verfassten Zeilen seines Dramma giocoso (lustiges Drama) – welch Untertreibung! – „Don Giovanni“ erdachte? Als er diese aus tiefem Brunnen schöpfende Musik zwischen die säuberlich gezogenen Notenlinien fügte?

Einem, der zwar kein Mozart ist, aber ein von Musik beseelter Geist, in den Kopf zu schauen, hätte gewiss auch seinen Reiz: Ádám Fischer. Wie muss es sich anfühlen, derart durchdrungen von Mozarts Musik, seiner großen Oper „Don Giovanni“, zu sein, dass man als Dirigent ganz auf Noten verzichtet, jede Phrase innerlich mitsingt, jede Textpassage mitspricht, dabei satte dreieinhalb Stunden Musik mit Flügeln versieht? Und was für Flügel.

Ádám Fischer hat „Don Giovanni“ tief in sein Herz geschlossen

Dass die konzertante Aufführung von Don Giovanni als Gastspiel der Wiener Staatsoper in der Tonhalle ein musikalisches Ereignis von außergewöhnlichem Zauber werden würde, war abzusehen. Wenn man Fischer kennt, weiß man, dass der inzwischen 69-Jährige Mozarts „Don Giovanni“ tief in sein Herz geschlossen hat. Diese Liebe gemeinsam mit den Wienern und mit den Düsseldorfern zu teilen, ist gewiss ein Hochgefühl, dass seine Aura bis in die letzten Reihen der Tonhalle ausstrahlte. Wie gut die Geschichte um den moralfreien Wüstling und dessen Fall, auch abseits der Opernbühne, insbesondere, wenn die Sängerinnen und Sänger es verstehen, auch im Rahmen des Konzertanten ihren Rollen Esprit und gestalterische Kraft zu verleihen, funktioniert, überrascht auch nicht. Zeigt aber die Größe der Musik und der Interpreten.

Und immerhin versteht auch das Orchester der Staatsoper wie kaum ein anderes, einen mozartischen Klang zu formen, der zeitgleich berührend emotional, mit höchster Kultur phrasiert, von österreichischer Musikkultur durchdrungen und immer frisch und aus dem Moment heraus geboren ist. Dazu braucht es nun mal eine von Musikergeneration zu Generation weitergereichte Tradition, wie es dieses Orchester (alias „Wiener Philharmoniker“) in sich trägt. Leichtigkeit und sanfte, aber niemals ihr Ziel verlierende Bögen, eine spritzige, niemals ordinäre Energie in zügigen Akzenten, eine elegante Gewichtigkeit, die indes nicht mit tragischer Emphase spart und schließlich das durch jahrelange Übung errungene Talent, selbst zügigste Tempi mühelos im Zaum zu halten. Nicht unerwähnt darf der in kleiner Besetzung angetretene Chor der Staatsoper bleiben. Kraft und klangliches Gewicht haben eben nicht nur mit Besetzungsstärke zu tun.

Aber was wäre eine Opernaufführung ohne die Solisten. Allen voran sei der 1986 in Seoul geborene Bass Jongmin Park erwähnt. Ein begnadeter Leporello mit makellos sitzender Stimme, einer schauspielerischen Begabung, die unter Sängern nicht alltäglich ist und einer Singkultur, die der gesamten Aufführung alle Ehre machte. Doch das mit viel Humor agierende Ensemble bot sonst auch hervorragende Stimmen. Adam Plachetka als Don Giovanni, Dan Paul Dumitrescu als Komtur, Peter Kellner als Masetto und schließlich der dem Düsseldorfer Publikum aus den späten 90er als Ensemblemitglied der hiesigen Oper bekannte Jörg Schneider als Don Ottavio. Auf der Seite der Damen beeindruckte Tarra Erraught mit ihrer emotional gefärbten Donna Elvira. Svetlina Stoyanovas Zerlina versprühte überraschend vielfarbige, fast erdige Töne – was indes gut als Beiklang zu ihrer lyrischen Stimme und der Rolle passt. Irina Lungus Donna Anna war rein gesanglich auch geprägt von schönem, leidenschaftlich getöntem Glanz. Wenngleich sie bei ihrer Arie „Non mi dir“ kleinere Erinnerungslücken kompensieren musste.

Wenn wir schon dabei sind, etwas beckmesserisch auf die weniger gelungenen Momente dieses grandiosen Abends zu blicken: Es mochte etwas befremden, dass die Posaunisten kurz vor der großen Komturszene in letzter Sekunde auf die Bühne huschen mussten, um gerade noch ihren Einsatz nicht zu verpassen. Doch bitte, die Herren ließen sich in ihrem Ton fast nichts anmerken.

Natürlich gab es nach diesem Abend tobenden Beifall vor allem für Orchester und seinen Dirigenten, dessen Größe hiermit den Düsseldorfern noch eine Spur bewusster geworden sein dürfte.

Überraschend war, dass bei dieser „Sternstunde“ – so heißt das Format, veranstaltet von der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Tonhalle Düsseldorf – die Resonanz bei den Kartenverkäufen eher verhalten blieb. Nun, die Karten waren recht hochpreisig. Erfreulich indes ist, dass offensichtlich etliche nicht verkaufte Plätze kurzfristig jungen Menschen zur Verfügung gestellt wurden.