Theater „Maria Magdalena“: Düster wie ein Drehbuch von Lars von Trier

Düsseldorf · Klaus Schumacher inszeniert Friedrich Hebbels Stück aus dem frühbürgerlichen Deutschland im Central.

Fühlt sich bei Hebbels „Maria Magdalena“ an ein Drehbuch von Lars von Trier erinnert: Regisseur Klaus Schumacher.

Foto: Sinje Hasheider

Die Tochter des Tischlermeisters Anton weiß am Ende keinen anderen Ausweg als sich das Leben zu nehmen. Und stürzt sich in einen Brunnen. Klara, so ihr Name in Friedrich Hebbels Drama „Maria Magdalena“ von 1843, ist schwanger von ihrem Verlobten Leonhard, hat aber ihre Jugendliebe Friedrich wiedergefunden. Abhängig ist sie davon, dass Friedrich ihr einen Heiratsantrag macht. Doch, um die Ehre der Familie zu retten, muss sie ihren Verlobten um Verzeihung bitten. Doch Leonhard fühlt sich gekränkt, verlässt Klara und sucht sich mit einer Bürgermeisters-Tochter eine bessere, lukrativere Partie. Für Klara entsteht eine ausweglose Lage, da sie den Vater ihres Kindes ehelichen muss, um die Ehre der Familie zu retten. Die Mutter ist bereits gestorben, der Vater droht mit Selbstmord, falls Klara ihm Schande bereitet. Die Katastrophe scheint unvermeidbar.

Wie ein Psychothriller liest sich Hebbels Tragödie aus dem frühbürgerlichen Deutschland. „Es ist so unerbittlich konsequent gebaut“, sagt Klaus Schumacher, der das Hebbel-Stück für das Schauspielhaus inszeniert. Und gerade aus einer Probe zum WZ-Gespräch kommt. „Fast wie ein Filmdrehbuch von Lars von Trier,“ meint er und verweist auf dessen „Dogville“ (2003) und „Antichrist“ (2009). „Hätten die beiden sich getroffen, sie hätten einen Abend voller düsterer Fantasien.“ Die Handlung liegt für unser liberales Deutschland weit weg. Familien, die so stark in ihren Dogmen wie Ehre gefangenen sind, dass sie in den Freitod führen, kennen wir heute eher aus der orthodox islamischen Gesellschaft.

Doch eine derartige Aktualisierung lehnt der Schauspieler, Regisseur und Leiter des Jungen Schauspielhauses im Hamburg strikt ab. „Das Stück Maria Magdalena agiert in den Leitplanken von 1840.“ Er erkenne darin auch das, „was urdeutsch ist“. Und verweist auf den Umgang der Figuren mit überlieferten Moralvorstellungen, die an der Wirklichkeit vorbeigehen, und Schwüren, die gehalten werden. Egal, was es kostet. „Wir tragen Werte und Trauma unserer Vorfahren, Krieg, Bombennächte, Völkermord und ihre Schuldgeschichte in uns.“ Umlenken auf islamische Kultur, das sei nicht angebracht. „Wir müssen bei uns ansetzen“, so Schumacher, „wenn wir heute diese Geschichte erzählen und unsere Perspektive thematisieren.“

Warum dieser Stoff jetzt? „Weil er so hart, kantig und konsequent erzählt wird.“ Dabei lotet er Grundsätzliches im Menschen aus. Wie funktionieren wir? Wozu sind wir fähig, wenn wir, wie Meister Anton, einem moralischen Dogma folgen? Um den Blickwinkel von heute zu ermöglichen, bedient sich die Regie eines Kunstgriffs. Liberale Figuren gehen in ein Museum, betrachten ein Objekt und besteigen es. Eine Bühne auf der Bühne. Außerdem beginnen die Figuren in heutigem Outfit, tragen über weite Strecken aber Biedermeier-Kostüme aus der Hebbel-Zeit. Eine Künstlichkeit, die Schumachers Grundsatz entspricht „Theater ist ein Kunstraum, kein realistischer Ort. Die Realität, die uns umgibt, abbilden – das funktioniert nicht“. So begeistert ihn auch die hoch entwickelte Kunst-Sprache Hebbels.

Kein Wunder also, dass der im Ruhrgebiet aufgewachsene Schumacher (53) mit Vorliebe Klassiker (häufig im Hamburg und Bremen) in Szene setzt. Wenn auch seine deutsche Erstaufführungs-Regie von „Geächtet“ von Ayad Akhta in Hamburg und andere Uraufführungen ausgezeichnet wurden. Konsequent weigert sich der versierte Theatermacher und studierte Kulturwissenschaftler (er bezeichnet sich gerne als „Quereinsteiger“), das triste und grausame Schicksal von Klara (in ‚Maria Magdalena’) aufzuhellen, zu verändern. „Die Falle, die Hebbel so präzise in seiner Tragödie gebaut hat, kann man nicht auflockern.“

25. 4. Voraufführung, 27. 4. Premiere (Nur Restkarten), 7., 21. Mai. Telefon: 36 99 11