Ein Leben, gestützt auf zehn Finger

Porträt: Die Pianistin Rada Pogodaeva lebt in Düsseldorf, muss für ihre Auftritte täglich bis zu zehn Stunden Klavier üben und kümmert sich außerdem um ihre vierjährige Tochter.

Düsseldorf. Dass eine Selbstständigkeit als Künstler härter sein kann als die meisten anderen Berufstätigkeiten, zeigt das Beispiel der aus Kasachstan stammenden und seit fünf Jahren in Düsseldorf lebenden Pianistin Rada Pogodaeva (27). Um ihr gewaltiges Repertoire von 50 Großwerken der Klavierliteratur wach zu halten, muss sie täglich viele Stunden üben, vor Konzerten bis zu zehn. Soweit ist das nicht ungewöhnlich. Doch mit einer Tochter, die gerade erst vier Jahre alt wurde, sieht die Sache schon komplizierter aus. Erst im vergangenen September bekam Pogodaeva für die kleine Maria einen Kita-Platz.

Vorher sei es ungemein schwer gewesen, Beruf und Familie zu koordinieren, zumal der Vater des Kindes in Kasachstan lebt. Um sich und die Tochter zu ernähren, die Miete für die Zwei-Zimmer-Wohnung zu zahlen, muss sie abwechselnd konzertieren und Klavierstunden geben - gewissermaßen ein auf zehn Finger gestütztes Leben.

Die Konkurrenz ist groß, viele Musiker, vor allem Pianisten aus Osteuropa, versuchen in deutschen und anderen westeuropäischen Großstädten Fuß zu fassen. Und gut zu sein, ist auf dem Pianisten-Markt nicht gut genug. Daher studiert Pogodaeva, die im Februar 2008 ihr Konzertexamen an der Robert-Schumann-Hochschule mit Auszeichnung bestand, noch privat weiter. Kürzlich nahm sie Unterricht bei einem Virtuosen, der es bereits zu internationalem Ruhm gebracht hat: Konstantin Scherbakow. Er unterrichtet neben seiner internationalen Konzerttätigkeit noch als Professor für Klavier an der schweizerischen Musikschule Winterthur bei Zürich.

Die Landung in Deutschland vor fünf Jahren hatte sich als nicht eben sanft erwiesen. "Als ich 2004 nach Düsseldorf kam, bewohnte ich eine Notunterkunft ohne Klavier. Ich konnte zwei Monate nicht üben - eine Katastrophe!", sagt Rada Pogodaeva, die sich zunächst mit einem E-Piano behelfen musste. In Pianistenkreisen gelten solche Instrumente oft als problematisch für den Anschlag. Und da im Künstlerberuf humane Kategorien wie "mildernde Umstände" nun mal keine Gültigkeit haben, musste rasch eine Lösung gefunden werden. Als Retter in der Not erwies sich ein Kantor, der Pogodaeva in einem zur Kirche gehörenden Kindergarten einen Raum mit Klavier zur Verfügung stellte.

Die Zeiten haben sich gebessert. Mittlerweile steht ein akustisches Klavier in Pogodaevas Wohnung. Zudem darf sie in der Düsseldorfer Verkaufsfiliale der renommierten Berliner Klavierbaufirma Bechstein auf einem Konzertflügel üben. "Klavier und Flügel ist ein großer Unterschied", meint Pogodaeva. Auf einem Bechstein-Flügel zu üben sei einfach wunderbar und eine große Ehre.

Unterstützung bekommt die Pianistin von einer kleinen Düsseldorfer Fangemeinde: Vergangenen Sommer fertigte die musikbegeisterte Düsseldorfer Modedesignerin Uta Raasch ein dunkelgrün, grau und silbern schimmerndes Abendkleid für Pogodaevas Auftritte. In diesem Kleid spielte die Pianistin beispielsweise im Rathaus vor geladenen Gästen anlässlich der Verleihung des Düsseldorfer Kunstpreises an die bildende Künstlerin Rosemarie Trockel. Zu gerne würde Pogodaeva einmal in einem großen Konzertsaal wie der Tonhalle auftreten. Ein erster Schritt in diese Richtung erfolgt immerhin im nächsten Jahr: Dann tritt Pogodaeva im Stilwerk Düsseldorf bei den Bechstein-Konzerten auf. Dort spielten schon weltbekannte Pianisten wie Alexandre Tharaud oder Lilya Zilberstein.