Er ist nur scheinbar harmlos
Sebastian Krämer begeistert mit Chansons im Kom(m)ödchen.
Düsseldorf. "Das ist auswendig gelernter Schwachsinn", behauptet er an einer Stelle über einen eigenen Text - und das stimmt so natürlich nicht. Allerdings ist der Chansonnier Sebastian Krämer, frischgebackener Träger des Deutschen Kleinkunstpreises, eben ein Meister des Understatements.
Viel Hintersinn versteckt sich da hinter reichlich vorkommender Verschrobenheit, das Grauen steckt in den Texten Krämers oftmals im banalen Detail. Mit seinem Programm "Krämer bei Nacht" gastiert der gebürtige Westfale und Wahlberliner derzeit im Kom(m)ödchen.
Krämer begleitet sich selbst am Flügel, und zwar mehr als passabel. Schräg wird die Klavierbegleitung höchstens einmal, wenn sich Krämer in einem unerwarteten und einmaligen Gefühlsausbruch mit dem Hinterteil auf die Tasten setzt. Ein altertümliches Clavichord setzt Krämer auch einmal ein. Das klingt schon an sich gewöhnungsbedürftig.
Zur endlos mäandernden Märe über einen Drachentöter - trotz einiger witziger Anachronismen herrlich unzeitgemäß - passt das zirpende Clavichord natürlich trefflich. Wenn Krämer es zu einem Rap über einen Busfahrer einsetzt, wird das Instrument selbst zum Anachronismus.
Viele Lieder Krämers beginnen scheinbar harmlos, enttarnen sich erst spät als gruselig. So wirkt das Chanson eines Ehemannes an seine Frau erst ganz romantisch: "Ich will in deinen Träumen bei dir sein." Doch dann stellt sich heraus, dass vor lauter Jobs und Hausarbeit eine andere als diese virtuelle Möglichkeit der Begegnung gar nicht mehr existiert. Und da will der Mustergatte dann als Horrorfigur die Träume seiner Frau heimsuchen.
A propos Horror: Das Drehbuch für einen Horrorfilm gehört zu den textlichen Highlights. Personal sind ein Teenager, ein Dämon, der in das Mädchen gefahren ist, eine naive Mutter und ein Exorzist. Als der wahre Horror entpuppt sich hier nebenbei der ganz normale Wahnsinn des Alltags einer Jugendlichen, die sich zwischen Chorprobe, Sporttraining und Schulanforderungen aufreibt.
Dämonen, Gespenster - sie haben es Krämer offenbar angetan. Der Busfahrer Bodo wird vom Geist eines 16-Jährigen heimgesucht, den er einst überfahren hat. Und das Gespenst "Zackebuh" geht mit Fieslingen einfach durch die Wand, und dann ist die Welt sie los. Schön wär’s ja.
Viel Applaus im Kom(m)ödchen für den sanften Kritikaster Krämer, der nur in einer Zugabe einmal richtig ausholte. Dass die Deutschlehrer weder die Rechtschreibreform noch Xavier Naidoo verhindert haben, das nimmt er ihnen wirklich übel.
Sebastian Krämer: "Krämer bei Nacht"; noch einmal heute Abend, 20 Uhr, ca. 135 Minuten mit Pause. Karten unter Telefon 0211/ 329443 und im Internet: