Kultur Ein Psychothriller auf der Theaterbühne

Hendrik Ibsens „Baumeister Solness“ feiert im Düsseldorfer Schauspielhaus eine so spannende wie auch gelungene Premiere.

Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Autoritärer Kotzbrocken? Oder aggressiver Amokläufer gegen das Alter und gegen die drohende Bedeutungslosigkeit? Ibsens „Baumeister Solness“ trägt beide Archetypen in sich und brüllt sie heraus. Zumindest an manchen Stellen der Neu-Inszenierung des hierzulande nur selten gespielten, nordischen Klassikers.

Der Schweizer Regisseur Stephan Müller macht daraus einen Psychothriller um den zynischen Neurotiker Solness, setzt auf manchmal groteske Überspitzung und verlegt die Handlung in einen kreisenden, futuristischen Kubus (Bühne Siegfried E. Mayer), dessen Ästhetik an Düsseldorfs Medien-Hafen-Architektur erinnert.

Nach einer zügig gespielten Premiere von knapp 110 Minuten im Großen Haus wurde Müller ebenso gefeiert wie die Darsteller. Sie schöpfen die Möglichkeit zum Schauspielerfest aus, die in dem norwegischen Stück von 1893 verborgen sind.

Allen voran: Andreas Grothgar als Stararchitekt, der aus kleinen Verhältnissen auf dem Lande stammt, hoch hinaus wollte und es geschafft hat. Die Zeit nagt an ihm. Den jungen technischen Zeichner Ragnar (Joans Anders), der für ihn arbeitet und die ersten eigenen Erfolge hat, sieht Solness als Bedrohung. Er wittert einen Konkurrenten, der ihn eines Tages übertreffen könnte. Deshalb behandelt er ihn schlecht, tut so, als ob Ragnars Pläne nichts taugen, will ihn aber unbedingt an sein Unternehmen binden, um ihn unter Kontrolle zu halten. Dabei ist Solness jedes Mittel recht.

Er bedient sich Ragnars Verlobter, Fräulein Fosli. Die hübsche, naive Frau (auf den Punkt gespielt von Anna Kubin) verehrt den Großen Solness wie einen Gottvater, ist ihm hündisch ergeben. Und versucht, ihren Ragnar zu überreden, in Solness’ Diensten zu bleiben. Nervös, von Ängsten getrieben und hyperventiliert spielt Solness — in schwarzem Designer-Anzug mit schwarzem T-Shirt — mit Fräulein Foslis Zuneigung und macht seine Frau Aline eifersüchtig.

Sie - eine leicht verwirrte Gestalt, die den Tod ihrer Zwillinge nicht überwinden kann, sich von ihrem Mann erniedrigen lässt und zu einem geisterhaften Wesen (packend gespielt von Claudia Hübbecker) mutiert. Viel zu sagen hat sie nicht, nur „Ich tue meine Pflicht“ — ein Satz, den sie gebetsmühlenartig wiederholt. Erst die unerwartete Ankunft von Hilde Wangel verändert die Lage. Die junge Frau in grell buntem, schottenkariertem Faltenrock wurde als zwölfjähriges Mädchen — zehn Jahre vorher — von Solness geküsst. Das hat sie nicht vergessen, zumal er ihr versprach, eines Tages ein Königreich für sie zu bauen. Und darauf pocht Hilde nun.

Kompromisslos, aber immer noch voller Schwärmerei für den Baumeister, mit dem sie am liebsten Luftschlösser errichten würde. Schauspielerin Pia Händler macht aus Hilde eine Mischung aus allwissendem Rache-Engel aus Solness’ Vergangenheit und verträumter Mädchen-Frau, die den Meister zu neuen Höhenflügen anstachelt und wie ein Troll tanzt und grummelt.

Er soll nach altem Brauch, so Hilde, einen Richtfest-Kranz auf den Turm seines neuen Hauses hängen. Seine Frau versucht das zu verhindern, denn Solness, der am liebsten in den Himmel hineinbaut, ist nicht schwindelfrei und leidet unter panischen Höhenängsten. Doch Größenwahn und Verliebtheit machen ihn taub für die Warnrufe, er folgt Hildes Wunsch — und so nimmt die Tragödie ihren Lauf. Regieteam, Claudia Hübbecker und Pia Händler machen daraus einen knisternden Showdown mit tödlichem Ausgang.

Fazit: Bis zum Schluss ein spannendes Psychodrama mit komischen Momenten, das man so schnell nicht vergisst.