Erst dichtet der Poet, dann liebt der Held

Schumannfest: Die doppelte „Dichterliebe“ mit den Tenören Christoph Prégardien und Endrik Wottrich beweist sich als gute Programmidee.

Düsseldorf. Zu den besonders anregenden Programmideen des Schumannfestes gehört die doppelte "Dichterliebe". Ein lyrischer Tenor, Christoph Prégardien, und ein Heldentenor, Endrik Wottrich, singen am selben Tag Robert Schumanns Liedzyklus nach Gedichten von Heinrich Heine. Erklingt am Sonntagvormittag eine "Dichterliebe" von poetischer Differenziertheit, so wird aus demselben Opus am Abend eine Art "Heldenliebe".

Prégardien: Er ist der typische Liedsänger, der 52-jährige Christoph Prégardien, und gehört zu den ganz wenigen Tenören, die sich auf die enorm schwierige Kunst verstehen, vertonte Dichtung so zu singen, dass die hinter Wort und Ton steckenden Gefühle voll zum Ausdruck kommen, und zwar ohne je ins Floskelhafte und Betuliche hineinzurutschen.

Schon in so gefährlich naiv-emotionalen Versen wie der Anfangszeile "Im wunderschönen Monat Mai" lauern die Fallen einer rührseligen Alt-Tanten-Ästhetik. Doch Prégardien weicht mit größter gestalterischer Souveränität solchen Tretminen aus und findet zu einer Gesangspoesie, die Heines Verbindung von echtem Gefühl und romantischer Ironie nahe steht.

Bravourös löst er die Aufgabe, zugleich Erzähler und Musiker zu sein, betont mit seiner lyrischen Tenorstimme das Emotionale und reflektiert durch seine durchdachte Deklamation den tieferen Sinn der Heine-Dichtung. Sein Begleiter am Klavier, Michael Gees, assistiert am Flügel meist zurückhaltend, neigt aber in den Nachspielen zu grober Überbetonung.

Wottrich: Nachdem der Tenor Nikolai Schukoff erkrankt ist, konnten die Veranstalter des Schumannfestes kurzfristig Endrik Wottrich gewinnen. Schwere Opernpartien wie den Siegmund in Wagners "Walküre" kann der 45-jährige Heldentenor Wottrich stemmen. Für Derartiges ist ein Christoph Prégardien stimmphysisch nicht geschaffen.

Dafür haben es Sänger mit großkalibrigem Material wie Wottrich wiederum schwerer, gleichsam mit feinem Pinsel zu malen. Da Wottrich jedoch über einen hohen Grad an Sensibilität verfügt, vermag er es, die starken Gefühle, die in Schumanns Liedzyklus stecken, eindrucksvoll herauszustellen. Stellenweise rührt das Schicksal des Dichters hier noch mehr an als in der artifiziellen Vornehmheit des Prégardien.

Wottrich singt mit solidem Edelstahl und dem Ausdruck von heldentümlichem Liebeskummer. Sein prominenter Begleiter am Flügel, Tzimon Barto, verfügt über höhere pianistische Finessen als Michael Gees. Doch neigt er zur Übertreibung sowohl im Piano wie auch im Forte, was das musikalische Ergebnis mal steigert, mal verflacht