"Heine würde jubeln, wie das Netz funktioniert"
Der Autor und Filmemacher Alexander Kluge erhält in Düsseldorf den Heine-Preis.
Alexander Kluge kann die Jury nur beglückwünschen. Der 82-jährige Autor und Filmemacher hält es für eine richtig gute Idee, dass er nun selbst in dieses „beeindruckende Parlament“ der Preisträger aufgenommen wird. Er sagt das schmunzelnd und ohne Arroganz. Dieser feine und freundliche Mann, einer der großen Intellektuellen Deutschlands, freut sich über die Auszeichnung, über eine weitere Möglichkeit, seine Arbeit zu präsentieren. Zum 19. Mal überreicht heute die Heine-Stadt Düsseldorf die mit 50 000 Euro dotierte Auszeichnung, traditionell am Geburtstag des Dichters.
Vor zwei Jahren war Kluge schon einmal dabei, damals hat er die Laudatio auf seinen „Gefährten Habermas“ gehalten. Daran knüpft er in kleiner Runde vor der großen Zeremonie im Heine-Institut an. Gerade eben erst habe Habermas der Politik im Pariser Heine-Institut die Leviten gelesen. Jeder habe heute zwei Staatsbürgerschaften, ob er nun Lust dazu habe oder nicht — eine nationale und eine europäische. „Wir singen zweistimmig in Europa“, sagt Kluge. Habermas sei ein feuriger Kämpfer — einer mit Mut, Brisanz und Biss. Und Heine, der sei für ihn inkarnierter Kosmopolitismus. Beste Gesellschaft also.
Kluge ist ein konzentrierter Gesprächspartner, er hört zu und findet eindrückliche Bilder. „Heine war nicht nur Dichter und Publizist. Er war ein Architekt, der Öffentlichkeit gebaut hat.“ Ein Romantiker, nicht sentimental, sondern empfindsam, und — ein skeptischer Kritiker. Empathie und Sachlichkeit, das seien die Eigenschaften, mit denen Geschichten erzählt werden sollten. Schon immer und gerade auch heute. „Heine würde jubeln, wie das Netz funktioniert“, sagt Kluge. In den Wüsten der Informationsgesellschaft sei es an uns, Oasen zu finden. Die Poesie Heines sei eine dieser Oasen.
Erfahrungen authentisch zu vermitteln, das sei seine Aufgabe — als Autor und Filmemacher. „Wenn Sie mit einer Stadtkarte von Großlondon durch den Harz wandern, fallen Sie garantiert in ein Loch. Das ist eine direkte Erfahrung.“ Perspektiven zu wechseln, sei entscheidend. Kluge erklärt, dass er jeden Tag die Tagesschau im Fernsehen verfolge, weil ihn das Weltgeschehen interessiere. Aber eigentlich sei das die falsche Art des Berichtens. „Bei Homer wurden Nachrichten aus Troja ja mit Musik überbracht.“ Dieses Erzählen gehöre zum Menschen. „Mit Heine könnte ich mich verschwören.“ Die Laudatio auf Kluge hält übrigens der Künstler Anselm Kiefer — ein weiterer Gefährte.