Honig: Ein großer Schritt nach vorn

Am Freitag erscheint das neue Honig-Album. Aus dem Soloprojekt des Düsseldorfers wurde eine erfolgreiche Band.

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Düsseldorf. Zwei Jahre Auszeit, das war der Plan. Dann wollte Stefan Honig (35) wieder in seinen Beruf als Erzieher einsteigen. Der Plan stammt von Anfang 2012. Das war noch bevor Honigs zweites Solo-Album „Empty Orchestra“ erschien. Und noch bevor Haldern Pop Recordings den Düsseldorfer unter Vertrag nahm und er Support-Shows für Thees Uhlmann, Philipp Poisel und Element of Crime spielte.

"It's Not a Hummingbird, It’s Your Father’s Ghost" ist das dritte Album der Combo.

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Am Freitag erscheint Honigs Drittling „It’s Not a Hummingbird, It’s Your Father’s Ghost“ — und inzwischen ist aus der Ein-Mann-Kapelle Stefan Honig plus Gastmusiker längst die fünfköpfige Band Honig geworden.

Man hört’s — zum Glück. „It’s Not a Hummingbird…“ zeigt die ganze Größe von Stefan Honigs Songwriting. Anders als sein gefälliger Vorgänger ist das nicht mehr nur intim-zarter Folk-Pop, sondern es gibt auch Arrangements, die an manchen Stellen mit Vollgas auf die Bühne des Folk-Stadions marschieren. Da gibt es Lieder, von denen eins nach dem anderen zum neuen Liebling wird.

Erst die energetische Single „Lemon Law“, später dann das flehende „Swimming Lessons“, das verletzliche „Red Stains“ und das noisige „We Are Alone in This Together“. Qualität und Gefallen an dieser Musik haben viele Gründe. Da sind die Arrangements zwischen Grazie, Wucht und Komplexität. Da ist die immer wieder überraschende Melodieführung im Gesang. Da ist die Wärme der Sounds. Und da sind unheimlich viele Instrumente — vom Glockenspiel über die Mandoline, das Flügelhorn bis zu den Streichern — an genau der richtigen Stelle.

Für Stefan Honig ist das Album „ein großer Schritt nach vorne“. Etwa 300 Konzerte hat er seit „Empty Orchestra“ gespielt. Mal als Liedermacher mit Gitarre, mal mit neu formierter Band — alles Musiker übrigens, mit denen er schon in anderen Bands zusammengespielt hat. „In der Zeit habe ich einiges dazu gelernt — was die Dramaturgie der Songs angeht, was die Kommunikation mit dem Publikum angeht, was mich selbst betrifft.“

Früher sei jeder Auftritt ein Kampf gewesen — heute kann Honig die Zeit auf der Bühne genießen. Nur beim Haldern Pop Festival Anfang August kam die Nervosität wieder durch. Seit 15 Jahren ist Honig Gast des Festivals, vor zwei Jahren spielte er erstmals selbst auf der Kleinen, in diesem Jahr sogar auf der Hauptbühne. „Die letzte halbe Stunde vor dem Auftritt bin ich da rumgetigert wie ein Boxer vor dem Kampf.“ Ein Konzert übrigens, das Spiegel Online live gestreamt hat, das für den WDR Rockpalast aufgezeichnet und das vom Deutschlandradio übertragen wurde.

Diese Aufmerksamkeit wird mit „It’s Not a Hummingbird“ weiter steigen. „Das genieße ich sehr. Ich bin jetzt 35 und hatte vorher vier Bands, mit denen das nicht geklappt hat — jetzt fühle ich mich wie ein Kind im Spielzeugladen.“ Das Album erinnert an eine Zeit, in der Honig tatsächlich noch mit Spielzeug spielte. 1990, USA-Reise mit der Familie: „Als ich in Kanada zum Pinkeln hinter einen Busch gegangen bin, flog plötzlich ein Kolibri direkt vor meiner Nase. Das hat mich fasziniert und ist mir bis heute in Erinnerung geblieben“, sagt Honig. Sein Vater starb wenige Monate später. Und während der letztjährigen Tour hatte Honig in Vermont das gleiche Kolibri-Erlebnis. „Abends sagte eine Freundin dann zu mir: ‚It’s not a hummingbird, it’s your father’s ghost.‘ Das habe ich mir sofort notiert — obwohl ich es sowieso nicht vergessen hätte.“

So persönlich wie der Titel ist auch das Cover. Es ist einem Foto der USA-Reise nachempfunden: Honigs kleiner Bruder balanciert in weiter Badeshorts über einen Baumstamm. Im Innern der Vinyl-Edition sieht man einem Mann am Steuer eines Autos über die Schulter — ein Mann, der mit der Brille und dem roten Bart Stefan Honig sein könnte, tatsächlich jedoch sein Vater ist.

Nachdem das Album heute erscheint, stehen für Stefan Honig und seine Band Tourneen an. Und danach? „Ich kann mir gut vorstellen, wieder als Erzieher zu arbeiten. Man braucht einen Gegenpol zum Tourleben. Und ich habe immer gut schreiben können, während ich in den Kindergarten ging.“