Düsseldorf Houellebecqs „Unterwerfung“: Brüderlichkeit wird zum Buchstabenspiel

Im Central wird aus Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ zwar kein Theaterstück — den Schauspielern gelingt dennoch ein guter Theaterabend zu den Fragen unserer Zeit.

Foto: David Baltzer

Düsseldorf. Im Zweifel sind Teigtaschen und Wein wichtiger als Nietzsche. Wenn es um die eigene Existenz geht, zieht der gebildete Mann eine schöne Frau im Bett, eine zweite am Kochtopf und vielleicht auch noch eine dritte für sonst was vor. Der Kampf um Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit ist, wenn man es wie der Literaturwissenschaftler François in ständiger Selbstreflexion dreht und wendet, den Aufwand wohl nicht wert. Zu diesem Schluss kommt der 44-jährige Protagonist in Michel Houellebecqs Bestseller-Roman „Unterwerfung“, der schließlich für seinen persönlichen Vorteil zum Islam konvertiert — denn in diesem Frankreich im Jahr 2022 haben Muslime den Staat übernommen.

Im Januar 2015 erschien der Roman in Frankreich, zeitgleich kam es zum Terroranschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo und Houellebecqs Vision einer muslimisch unterwanderten Gesellschaft wurde zum Skandalthema. Seitdem sind fast zwei Jahre vergangen und die politischen Lager in Europa sind noch stärker polarisiert. Dabei geht es in dem Buch gar nicht so sehr darum, dass der Islam die Vorherrschaft übernommen hat, es hätten, das wird bei Houellebecq deutlich, auch die Rechten sein können. Vielmehr ist es ein Abgesang auf die Werte, auf die sich die europäischen Demokratien und die Intellektuellen bislang berufen haben.

Der Schauspieler Christian Erdmann führt das in unförmiger Cordhose und mit zerrauften Haaren ziemlich unterhaltsam vor. Sein François ist ein kluger, selbstmitleidiger Unsympath, der dennoch ein Gespür für Selbstironie und Komik hat. Wenn er über den körperlichen Verfall der Frauen lamentiert, spricht er eine ältere Zuschauerin im Publikum direkt an, hält den Blick länger, als man es ertragen möchte. Und doch rührt einen sein soziales Unvermögen, wenn er von seiner Geliebten Myriam Abschied nimmt.

Erdmann hält gekonnt die Balance, lässt seine Figur nicht zur Knallcharge kippen. Was bei den übrigen Protagonisten, die Lorenz Nufer und Yohanna Schwertfeger mit wiederholten Kostümwechseln hinter der Bühne spielen, zum Teil doch geschieht.

Regisseur Malte C. Lachmann hat kein wirkliches Bühnenstück aus dem Roman geschaffen. Aus der Ich-Perspektive lässt er seinen Protagonisten wie im Buch die Geschichte des gesellschaftlichen Wandels kurz vor und nach der Präsidentschaftswahl im Jahr 2022 und die persönliche Entwicklung vom glücklosen Freigeist zum angesehenen Glaubensbruder erzählen.

Auf zwei Wänden steht anfangs noch Liberté und Egalité, die Brüderlichkeit setzt François in Druckbuchstaben auf der Bühne immer wieder neu zusammen: zu Sitzmöbeln oder Firmenlogos. Mit seinem Handy steuert er projizierte Nachrichtensendungen oder Filmszenen, die ihn im Auto auf der Flucht vor Ausschreitungen in Paris zeigen.

Das alles ist gut und stimmig gemacht, bleibt der Form des Romans allerdings mehr als treu.