Ihr 1986er Album „Ute Lemper singt Kurt Weill“ stand unglaubliche 50 Wochen in den Charts. Er hat Sie durch Ihre gesamte Karriere begleitet und nun kommen Sie mit dem eher unbekannten Weill-Stück „Die sieben Todsünden“ wieder nach Düsseldorf, das Sie 1990 erstmals aufgenommen haben. Was hat sie damals dazu bewogen?
Interview Ute Lemper: „In Düsseldorf hatte ich meinen künstlerischen Durchbruch“
Düsseldorf · Interview Im Oktober tritt die Sängerin und Tänzerin Ute Lemper in der Tonhalle auf. Mit uns sprach die vierfache Mutter über ihre ganz besonderen Beziehungen zu Kurt Weill, Marlene Dietrich und zu Düsseldorf.
Mit Kurt Weills „Die sieben Todsünden“ bringt Ute Lemper ein eher unbekanntes Stück von ihm auf die Bühne der Tonhalle.
Ute Lemper: Es ist die letzte Zusammenarbeit zwischen Brecht und Weill, entstanden Ende der 1930er Jahre in Paris. Ursprünglich war es ein Ballett, das Balanchine choreografiert hatte. Lotte Lenya spielte darin die Sängerin Anna 1 und die Tänzerin Anna 2, als gespaltene Persönlichkeit. Es ist auch ein satirischer Seitenhieb auf die kapitalistische amerikanische Gesellschaft. Es klingt zwar hier und da ein wenig antiquiert. Aber es hat immer noch den Biss und den Witz, den man auf das heutige Amerika gut übertragen kann.
War das auch der Grund für Sie, gerade dieses Stück für Ihr Gastspiel zu wählen, anstatt die bekanntere „Dreigroschen Oper“ oder Mahagonny?
Lemper: Genau das. Ich finde „Die sieben Todsünden“ auch musikalisch ganz toll. Sie sind eben nicht so bekannt. Obwohl es eine der schönsten Weill-Kompositionen ist, die Vergangenheit und Zukunft beinhaltet. Es hat auch viele Referenzen zu seinen beiden Symphonien. Ich würde sogar behaupten, dass es musikalisch gesehen mit sein reichtes Werk war, das auch den Höhepunkt seiner Karriere markierte. Geschrieben hatte Weill das Stück im Pariser Exil.
Man kann Weills Leben und Wirken in drei Phasen einteilen: Deutschland, Exil in Frankreich und Amerika. Welche Lebensphase sagt Ihne als Künstlerin am meisten zu?
Lemper: Wenn wir die Frage auf dieses Stück beziehen, dann die Pariser Zeit. Weil es zwischen zwei Welten, Deutschland und Amerika, entstand. Es ist existenziell. Es erinnert mich immer wieder an meine ersten Weill-Studien. 1985 bin ich nach Berlin gegangen, um dort Musicals am „Theater des Westens“ zu spielen. Dort habe ich auch meine erste Kurt Weill-Revue präsentiert. Jürgen Knieper, der die Musik zum Film „Der Himmel über Berlin“ komponiert hat, brachte mich dann auf „Die sieben Todsünden“. Ich habe mir Gisela May mit ihrer Interpretation angesehen. Das sind einfach Dinge, die mir im Herzen geblieben sind. Damals stand ja auch noch die Mauer. Es war eine ganz besondere Zeit in Berlin.
Parallel sind Sie auch mit Ihrem Marlene Dietrich gewidmeten Programm auf Tournee, die wie Weill in Paris und Amerika gelebt hat. Wie werden diese beiden Künstler in Ihrer Wahlheimat USA heute wahrgenommen?
Lemper: Die Marlene hatte durch ihre Hollywood-Filme eine Riesenkarriere in den USA gehabt. Man nannte sie in einem Atemzug mit Greta Garbo und Ingrid Bergman. Ich glaube, viele Amerikaner wissen gar nicht, dass sie Deutsche war. Marlene hatte ein kompliziertes Verhältnis zu ihrer Heimat, in der sie lange nicht willkommen war. Hier liegt eine Parallele zu Weill, der aus Nazi-Deutschland rausgeworfen und als jüdischer Komponist diffamiert worden ist. Es fasziniert mich, wie sie bei all dem Schmerz, den sie erfahren mussten, künstlerisch gleichzeitig so revolutionär waren. Ihre Schicksale sind Geschichten, die immer wieder erzählt werden müssen, gerade auch in diesen Zeiten, in denen es immer noch oder wieder Menschen gibt, die den rechten Arm hochstrecken.
Stimmt es, dass Sie Marlene Dietrich geschrieben haben?
Lemper: Ja und daraufhin hat sie mich zurückgerufen. Wir haben ein langes Telefongespräch geführt, was wirklich der Hammer war. Das konnte ich damals gar nicht richtig verarbeiten. Dafür habe ich eine ganze Weile gebraucht. Ich habe sie natürlich bewundert, aber ich habe mich nicht mit der Legende auseinandergesetzt. Das war viel zu viel für mich. Aber im Laufe der Jahrzehnte und jetzt als reifere Frau, bin ich in ihre Stimme hineingeschlüpft und möchte ihre Geschichte erzählen, die ich nun besser nachempfinden kann. Damals war Marlene eine Frau der Zukunft und ich finde, das ist sie auch heute noch.
Lassen Sie uns zum Abschluss noch über Ihre Beziehung zu Düsseldorf und zum Schauspielspielhaus sprechen. Sie haben eine Weile hier gelebt.
Lemper: 1986! Aber meine Beziehung zu Düsseldorf ist ja noch älter, denn mein Vater war damals bei der WestLB beschäftigt und nahm jeden Morgen von Münster den Zug nach Düsseldorf. In der Friedrichstraße hatte mein Papa mir eine kleine Wohnung, eher ein Zimmerchen, besorgt als ich am Schauspielhaus war, direkt gegenüber vom Bankgebäude. Künstlerisch hatte ich meinen Durchbruch am Schauspielhaus. Es war eine schöne Zeit damals. Ich habe viele schöne Erinnerungen. Wo Sie das gerade erwähnen. Letztes Wochenende habe ich meinen uralten Archivkoffer mal wieder geöffnet und da fielen mir diese ganzen Erinnerungen aus den 80ern wieder in den Schoß. Wie ich „Cats“ in Wien gespielt habe und die Artikel über meine Auftritte am Schauspielhaus Düsseldorf. Ich habe die alle in diesen Koffer gestopft. Es war eine ganz andere Zeit. Wenn man so schnell gelebt hat, wie ich und dabei so viel erlebt hat, ist das alles in solchen Momenten wieder ganz nah, weil es so intensiv war. Es so, als sei es gestern gewesen.
Haben Sie denn ein wenig Zeit, durch die Stadt zu bummeln, wenn Sie hier gastieren?
Lemper: Ich versuche es immer, wenn ich in der Stadt bin. Wenn ich einen Tag frei habe, werde ich natürlich auch meinen Papa in Münster besuchen.
Ute Lemper gastiert mit „Die sieben Todsünden“ am 11. Oktober in der Tonhalle Düsseldorf. Tickets: