Julia Stoschek öffnet ihr Privat-Museum
Shuttle-Busse fahren von der City aus die Höhepunkte in Oberkassel zwischen Hansaallee und Schanzenstraße an.
Düsseldorf. Der Stadtteil Oberkassel beteiligt sich erstmals an der Nacht der Museen: Die Julia Stoschek Collection von der Schanzenstraße 54, der Fotokünstler Horst Wackerbarth von der Hansaallee 159 mit dem roten Sofa und die Auferstehungskirche an der Quirinstraße machen mit. Horst Wackerbarth und seine Freunde machen ein Non-Stop-Programm mit Projektionen gleich im Eingang zum Hof, mit Performance, Jazzmusik und Fotokunst. Mit Filmen, Live-Musik und einer Zeitreise in Bildern verweist die Auferstehungskirche auf ihre 100-jährige Geschichte.
Erste Station der linksrheinischen Bustour: die Julia-Stoschek-Collection. Vor zehn Jahren erwachte das Interesse der Sammlerin an der Medienkunst mit einem Elefanten, der seinen eigenen Tod spielt. Sie sah das Video von Douglas Gordon in New York und war begeistert. Im Juni 2007 öffnete sie ihr Privatmuseum. Nun präsentiert sie einen Höhepunkt der Avantgarde.
Sie sagt: „Ich zeige mit Elaine Sturtevant eine der radikalsten Künstlerinnen der Gegenwart. Sie erhielt 2011 auf der Biennale in Venedig den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk. Sie hatte schon in den 1960er Jahren die Kunst auf ihre Originalität hinterfragt, als die digitale Technik noch gar nicht erfunden war.“
„Kill“ heißt eine Tapetenwand gleich im Eingang. „Killen“ heißt Töten. Und was Sturtevant tut, ist nichts anderes als das. Sie reflektiert den Wert des Originals und arbeitet damit gegen die Logik des Marktes, die das Unikat liebt. So hat sie etwa Duchamps Fenster namens „Fresh Widow“, die der Konzeptkünstler 1920 unter dem Pseudonym Rrose Selavy signierte und mit schwarzer Lederbespannung in den Fensterscheiben beklebt, eins zu eins adaptiert.
Auf die Frage, warum Stoschek eine solche Kunst sammelt, die aufs Original pfeift und die hergebrachten Wertvorstellungen über den Haufen wirft, antwortet die passionierte Sammlerin: „Ich verfolge Sturtevants Werk schon seit langem. Sie ist für die heutigen künstlerischen Ansätze elementar wichtig. Für mich ist sie eine Inspiration, weil sie in ihrem Spätwerk die Distanz zum Original neu erfindet und in ihren Videos zugleich ironisch formuliert.“
Der Erfolg der in Paris lebenden Amerikanerin setzte in den 1990er Jahren mit Videoarbeiten ein. Beispielhaft dafür ist ein Streifen, der an der Schanzenstraße permanent läuft. Da stellt Sturtevant eine Aktion von Beuys aus dem Jahr 1974 in Chicago nach. Die Fotos, die Klaus Staeck, heute Präsident der Akademie der Künste in Berlin, damals machte und unter dem Titel „Beuys in America“ herausbrachte, bildeten das Anschauungsmaterial.
Die zwar betagte, aber flotte Sturtevant schlüpfte wie Beuys in einen langen Mantel und lief los. Wie alt Sturtevant damals war und wie alt die rennende Künstlerin heute ist, bleibt ihr Geheimnis. Stoschek erklärt: „Ich vermute, sie ist jetzt 87, weil es ihr Galerist so sagt. Sie selbst meint, sie habe kein Zahlengedächtnis.“
Stoschek hat inzwischen mehr als 600 Hauptwerke der Medienkunst. Ihre Schätze gehören zu den wichtigsten ihrer Art in Europa. Doch sie engagiert sich nicht nur für ihre eigenen Dinge, sondern hilft auch den Kollegen in Museen durch Rat und Tat. Sie sitzt in Düsseldorf im Vorstand des Kunstvereins, in der Ankaufkommission der Kunstsammlung und im Aufsichtsrat der Kunsthalle. Sie gehört zum Tate Council in London sowie in New York zum Board des MoMa PS1 und zum Performance Comitees am Whitney Museum.