Kino zum Hören Sound Cinema Düsseldorf: Wenn das Kino zum Konzertsaal wird

Düsseldorf · Am Donnerstag lädt das Cinema zur Klangkunst im Dunkeln. Das Publikum darf auch einen Sieger küren.

Die Medienwissenschaftler Maximilian Haberer (l.) und Tomy Brautschek haben das Sound Cinema Düsseldorf gegründet.

Foto: Thomas Frank

Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Kino und schauen sich keinen Film an, sondern hören experimentelle Musik oder Klangkunst-Stücke. Dunkler Saal, keine visuellen Reize, auch Schlafmasken werden verteilt. Am Donnerstag, 30. Januar, lässt sich ein solches Kino zum Hören im Düsseldorfer Cinema erleben. „Sound Cinema“ nennt sich das Format, das sich die Medien- und Kulturwissenschaftler Tomy Brautschek und Maximilian Haberer von der Heine-Universität ausgedacht haben. Im vergangenen Jahr feierte das Sound-Kino Premiere, nun findet es zum zweiten Mal statt.

Profi-Sound-Künstler und Studierende haben sich beworben

Am Anfang stand ein Wettbewerb: Profi-Sound-Künstler wie auch Studierende aus aller Welt konnten Klangkunst-Stücke einreichen. Entweder musikalische Kompositionen (etwa im Stil der Minimal Music oder elektroakustischen Musik), akustische Geschichten (erzählende Audioformate) oder abstrakte Sounds (Klanglandschaften oder Klang-Collagen). Die Bedingung: Kein Stück länger als zehn Minuten. Zudem mussten die Teilnehmer ein Konzeptpapier einreichen, in dem sie ihre Projekte beschreiben, konzeptuell reflektieren und in eine der drei Kategorien einordnen sollten. Tomy Brautschek und Maximilian Haberer haben gemeinsam mit rund 15 Bachelor-Studenten und den Projekt-Koordinatoren Anna Freytag und Julian Scheibel aus rund 60 Bewerbungen die neun besten ausgewählt, drei pro Kategorie.

Die Tonaufnahmen werden am Donnerstag ab 18.30 Uhr im Cinema-Filmkunstkino aufgeführt. Danach wird eine dreiköpfige Fachjury einen Sieger aus jeder Kategorie bestimmen. Der Musiker, Komponist und Medienwissenschaftler Christian Jendreiko von der Hochschule Düsseldorf (HSD), die Schriftstellerin und Performance-Künstlerin Swantje Lichtenstein (ebenfalls von der HSD) sowie die Kulturwissenschaftlerin und Musikjournalistin Anna Schürmer von der Heine-Uni. Aber auch das Publikum darf abstimmen und einen Preis vergeben. Die Gewinner werden ab 22.30 Uhr im Salon des Amateurs gekürt, das seit jeher für seine avantgardistische, elektronische Musik bekannt ist.

Unter den drei Vertretern der „Abstract Sounds“ befindet sich auch die Düsseldorferin Nathalie Brum. Ihr Klangkunst-Werk „Umwälzpumpe Abschäumerkreislauf“ erforscht die akustische Unterwelt des Düsseldorfer Aquazoos: Pump-, Filter- und Spülanalagen, die in den Aquarien den Kreislauf von Süß- und Salzwasser in Gang halten.

In der Kategorie „Acoustic Stories“ tritt Johannes Ohde an, der am Insititut für Medien- und Kulturwissenschaften der Heine-Uni studiert. In seiner Sound-Arbeit „Bad Tommy“ macht er Musik und Klänge von New York hörbar, etwa Gespräche, Straßenmusik oder urbanen Lärm.

Im Bereich „Musical Composition“ dürfte das Stück „Prismes électriques“ von Antonio D’Amato spannend werden. Er versucht, Malerei in Musik zu übersetzen. Dazu hat D’Amato das titelgebende Gemälde der russisch-französischen Malerin Sonia Delauney – eine Vertreterin der sogenannten geometrischen Abstraktion –, mit Hilfe einer Software in Soundfragmente umgewandelt. Die Schnipsel hat er zerlegt und neu zusammengesetzt.

Die vier Sieger des Sound Cinemas erhalten jeweils eine kleinere Geldsumme, die allerdings noch offen ist, weil die Veranstalter abwarten wollen, was noch an Eintrittsgeldern und Getränkeverkäufen erwirtschaftet wird.

Das Sound Cinema läuft im Rahmen der Jahrestagung „Acoustic Intelligence. Hören und Gehorchen“, die sich mit akustischer Überwachung in Zeiten digitaler Medien auseinandersetzt, etwa wie Menschen durch Musik-Streaming-Dienste oder digitale Assistenten wie Siri kontrolliert werden. Von Donnerstag, 13 Uhr, bis Samstag, 1. Februar, finden an vier weiteren Orten Vorträge, Diskussionen, Performances, Führungen und Abendessen statt: Im Haus der Universtität, der Filmwerkstatt, der Robert-Schumann-Hochschule und im Brauhaus „Zum goldenen Handwerk“.

Ein Sound Cinema gab es in der Geschichte der Klangkunst so noch nicht. Ganz aus dem Nichts kommt die Idee allerdings nicht. Karlheinz Stockhausen, der Pionier der elektroakustischen Kunst, hat seit den 1950er Jahren sogenannte Lautsprecher-Konzerte initiiert. Tomy Brautschek und Maximilian Haberer wollen das Hör-Kino als gemeinschaftliches Erlebnis etablieren, als Gegenbewegung zum privaten, isolierten und zerstreuten Hören über die mobilen Lautsprecher unserer Smartphones.