Konzert: Ein Teufelskerl am Klavier

Jungtalent Nikolai Tokarew spielt Liszt, Ravel und Rameau in der Tonhalle und begeistert am Flügel das Publikum.

Düsseldorf. Wie eine schlanke Raubkatze bewegt sich der russische Pianist Nikolai Tokarew am Steinway-Flügel. Vor allem als er die zwischen Himmel und Hölle wandelnde h-Moll-Sonate von Franz Liszt spielt, sitzt er mit angriffslustig gekrümmtem Rücken und etwas hochgezogenen Schultern vor dem schwarzen Instrument und lässt die Hände gleich gefährlichen Krallen auf die Tasten schnellen. Bereits die ersten leisen Töne der Sonate wirken bei Tokarew wie leichte Prankenschläge, zwar noch sanft, aber bereits die Entschlossenheit zur ernsten Attacke demonstrierend.

Die faustische Dimension des halbstündigen Werkes, der Showdown zwischen Oben und Unten wirkt in Tokarews expressiver Darbietung stark ausgeprägt. Wobei der junge Pianist gerade in der Hölle ganz besonders in seinem Element zu sein scheint. Die diabolischen Oktav-Parallelen und bedrohlichen Tonwiederholungen werden zum dramatischen Höhepunkt. Es ist wie ein herausfordernder Tanz mit dem Teufel, was Tokarew auf den Tasten vollführt. Leider erreicht er in anderen Passagen keine vergleichbare Ausdruckskraft, lyrische Passagen drohen zu verwischen, auch in manchen virtuosen Verdichtungen wird das Klangbild unscharf.

Trotz solcher Senken zeigt sich ein enormes pianistisches Potenzial; allein die leisen Schlussakkorde im Diskant schlägt Tokarew mit einer Subtilität an, die in der Szene heutiger Jungpianisten ihresgleichen sucht.

Der Abend beginnt französisch und entspricht teilweise dem neuen "French Album" Tokarews, das sich an diesem Abend am CD-Stand im Tonhallen-Foyer hundertfach verkauft. Zu Gehör kommt Rameaus berühmte Gavotte mit Variationen, die Tokarew nicht barock filigran darbietet wie die auf solche Musik spezialisierten Pianisten, sondern romantisch und vollgriffig. Der Russe ist mehr Generalist mit Schwerpunkt in der Tonsprache des 19. Jahrhunderts, und entsprechend emotional aufgeladen spielt er strengen Rameau.

Auch die feinmaschig dahinrauschende Klavierdichtung "Gaspard de la nuit" von Maurice Ravel bietet Tokarew nicht mit französischer Nonchalance und Unverbindlichkeit wie etwa ein Jean-Yves Thibaudet, sondern leidenschaftlich und gewissermaßen fürs Ergebnis persönlich haftend. Insbesondere den letzten Satz, "Scarbo", entführt er aus Frankreich ins russische Lager mit Nachbarschaft zu Prokofjew und Rachmaninow.

Pianist Wilhelm Backhaus soll einmal gesagt haben, ein guter Pianist müsse nach einem Klavierabend noch genügend Reserven haben, um die "Campanella" aus dem Ärmel zu schütteln. Und genau diese virtuose Liszt-Etüde nach einem Thema von Paganini wählte Tokarew aus, als eine von drei Zugaben. Er spielte die elegante Virtuosennummer durchweg makellos, und mit einem gewinnenden Maß an jugendlichem Temperament.