Kunst Auf den Spuren der Kunst aus der DDR

Düsseldorf · Der Kunstpalast zeigt im September eine Schau zur Kunst in Zeiten des SED-Regimes. Im Vorfeld veranstaltete das Haus eine Kultur-Reise durch Ostdeutschland.

Kunstmuseum Moritzburg in Halle an der Saale: Hinter Bruchstein, Glas und Aluminium hängen, stehen und liegen etliche wichtige Kunstwerke aus der ehemaligen DDR.

Foto: Thomas Frank

30 Jahre ist es nun her, als die Berliner Mauer fiel, ein Jahr später war Deutschland wiedervereint. Das galt nicht für die Kunst – in der DDR sollten sich Künstler in den Dienst der Arbeiterklasse stellen und mithelfen, die sozialistische Gesellschaft aufzubauen, dementsprechend galt die Kunst aus Ost-Berlin, Leipzig, Dresden oder Halle als „Staatskunst“, wohingegen die Kunst des Westens als frei und experimentell betrachtet wurde. Bis heute sind diese Denkmuster aus dem Kalten Krieg nicht überwunden. Westdeutsche Museen interessieren sich kaum für Kunst aus der DDR.

Der Düsseldorfer Kunstpalast will das ändern. Am 5. September eröffnet das Haus im Ehrenhof die Ausstellung „Utopie und Untergang. Kunst in der DDR“. Es handelt sich um eine Überblicksschau zur Kunst im SED-Regime – die erste in einem westdeutschen Museum seit Herbst 1989. Kunstpalast-Chef Felix Krämer und Kurator Steffen Krautzig wollen zeigen, dass die Maler und Bildhauer in der DDR nicht nur regimetreue „Auftragskunst“ schufen, sondern modern malten, die triste Wirklichkeit ins Bild setzten oder mit Ironie die sozialistische Kunstdoktrin unterliefen. Außerdem sollen Besucher die Arbeiten von Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke, Elisabeth Voigt oder Angela Hampel nicht als historische Dokumente „von drüben“ betrachten, sondern als Kunstwerke. Im Vorfeld zur Ausstellung lud der Kunstpalast zu einer kleinen Kultur-Reise durch Ostdeutschland ein, um wichtige Museen, Galerien und Künstler der ehemaligen DDR besser kennenzulernen.

In diesem Haus in Leipzig lebte und arbeitete der Künstler Werner Tübke von 1977 bis zu seinem Tod 2004. Heute befindet sich darin die Galerie Schwind, die sich um Tübkes Werke kümmert.

Foto: Thomas Frank

Erste Station: Kunstmuseum Moritzburg in Halle an der Saale

Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle an der Saale ist eine ungewöhnliche Kunststätte: Einst residierten hier Erzbischöfe, Feldherr Wallenstein und Schweden-König Gustaf Adolf besetzten die Festung, im Dreißigjährigen Krieg brannte die Burg aus und überdauerte als „romantische Ruine“ bis ins 19. Jahrhundert – dann zogen Kunst und Kunstgewerbe ein. Hinter Bruchstein, Glas und Aluminihängen, stehen und liegen etliche wichtige Kunstwerke aus der DDR. Darunter die Bronze-Skulptur „Jahrhundertschritt“ von Walter Mattheuer. Eine monströse Figur, die dynamisch und statisch zugleich wirkt. Sie hebt die eine Hand zum Hitlergruß und ballt die andere Hand zur Faust des Roten Frontkämpferbundes, der ausgestreckte Fuß bremst ab, der hintere Fuß steckt im Morast des Dritten Reichs fest. Die Figur symbolisiert die die Stunde Null im Jahr 1945, als die NS-Diktatur in das SED-Regime übergeht.

Das Lindenau-Museum mit idyllischem Skulpturenpark im thüringischen Altenburg: Es beherbergt vor allem Maler der sogenannten „Leipziger Schule“ wie Walter Mattheuer oder Volker Stelzmann. 

Foto: Thomas Frank

So manches Kunstwerk in der Moritzburg erzählt tragische Geschichten. Etwa das Stillleben „Mohn vor der Reife“ des Halleschen Künstlers Herrmann Bachmann. Das Mohnfeld erscheint nicht rot, sondern in blassem Weiß und Braun. Es missfiel den DDR-Kulturfunktionären. Nicht positiv genug. Motiviert nicht zum Aufbau der sozialistischen Gesellschaft. Bachmann wurde immer wieder angegriffen und verließ Halle gen Karlsruhe. Die DDR-Behörden beschlagnahmten seine Werke, erst nach der Wende wurde etwa das Mohnfeld an Bachmann restituiert und zugleich rechtmäßig vom Museum erworben.

Zweite Station: Panorama Museum in Bad Frankenhausen

Mittelgebirge, Wälder, Wiesen und Felder – in einer Idylle thront das Panorama Museum auf dem Schlachtberg im thüringischen Bad Frankenhausen. 1525 tobte hier der Bauernkrieg. Thomas Müntzer, der Anführer der Bauernaufstände, erhob das DDR-Regime – gemäß der Geschichtsphilosophie von Karl Marx – zum Frührevolutionär, der den Übergang vom Feudalismus zum Frühkapitalismus einleitete und letztlich in den Sozialismus münden sollte. Zum 450. Jahrestag des Deutschen Bauernkrieges 1975 plante die SED auf dem Schlachtberg eine Panorama-Gedenkstätte mit einem gigantischen Historiengemälde. Den Auftrag erhielt der international angesehene Werner Tübke. In elf Jahren schuf er mit seinem Team eines der größten Tafelbilder der Welt – bevölkert von rund 3000 Figuren. Den Übergang vom Mittelalter in die Frühe Neuzeit inszenierte Tübke allerdings nach seinem eigenen Geschmack.

Dritte Station: Galerie Schwind in Leipzig

Die Galerie Schwind befindet sich in einer Jugendstil-Villa in Leipzig. Künstler Werner Tübke – der am 30. Juli 90 Jahre alt geworden wäre – lebte und arbeitete dort von 1977 bis zu seinem Tod im Jahr 2004. Karl Schwind gründete seine Galerie 1989 in Frankfurt am Main und vertrat als einer der wenigen Kunsthändler aus den alten Bundesländern Leipziger Maler und Bildhauer wie Walter Mattheuer oder Willi Sitte. Nach dem Tod von Werner Tübke 2004 kaufte Schwind das Haus in der Springerstraße 5, sanierte es und installierte dort seine Kunstgalerie. In dem Gebäude sind auch die Tübke-Stiftung und die Privatsammlung des Industriellen Fritz P. Mayer beheimatet, der auch viele Gemälde von Leipziger Künstlern erworben hat.

Vierte Station: Lindenau-Museum in Altenburg

Das Lindenau-Museum im thüringischen Altenburg liegt in einem prächtigen Gebäude von 1876, umgeben von einem idyllischen Skulpturen-Park. Der Staatsmann und Gelehrte Bernhard August von Lindenau gründete das Haus und etablierte darin die bedeutendste Sammlung frühitalienischer Malerei außerhalb Italiens. Im Museum trifft man aber auch auf Künstler der DDR, darunter Vertreter der sogenannten „Leipziger Schule“ wie Gerhard Kurt Müller (geboren 1926), der einen Radfahrer so ins Bild setzt, als hätte er ihn aus einem Holzscheit geschnitzt. Oder Volker Stelzmann, der in realistischer Manier einen Amokläufer malt und damit auf die konfliktreichen, gewaltdurchtränkten Siebzigerjahre in Ost- und Westdeutschland verweist.