Lemon Tree: Lehrstück über Zivilcourage
Eine israelische Regisseurin bringt ein Stück über die Nahost-Politik an den Gründgens-Platz.
Düsseldorf. Es ist nicht gerade einfach, die Nachbarin eines israelischen Verteidigungsministers zu sein. Zumal, wenn Zitronenbäume auf der Grenze stehen, mit Muskeln spielenden Bodyguards und einem einsamen Wachsoldaten den Blick versperren und so zum Politikum werden. Doch dem Befehl des Abholzens ihres Zitronenhains widersetzt sich die palästinensische Witwe Salma und geht sogar bis zum Obersten Gerichtshof. Wie ein Lehrstück über Zivilcourage in einem vom Terror bedrohten Machtapparat wirkt der Film „Lemon Tree“ von Eran Riklis, der 2008 weltweit Aufsehen erregte.
Das Schauspielhaus bringt nun erstmals, in einer Kooperation mit dem Habima-Theater in Tel Aviv, diesen Stoff auf die Bühne. Die Premiere fand am Freitag im Kleinen Haus statt — vor großartiger Kulisse eines Zitronenhains.
Für ihre sensible, streckenweise lautstarke Inszenierung, ließ Regisseurin Dedi Baron das Drehbuch von Suha Arraf fürs Theater umschreiben. Anders als in dem Streifen, der überwiegend Salmas Kampf um Lebensunterhalt und Heimat im Fokus hat, zeigt das Schauspiel, wie der Zitronenhain die Ehe des Ministers Navon (zynisch: Guntram Brattia) auseinanderzureißen droht. Denn seine Frau Mira (Claudia Hübbecker) ist Künstlerin, kleckst zitronengelbe Farbe auf riesige Leinwände und kann nicht verstehen, warum uralte Bäume modernen Sicherheitsapparaten im Wege stehen sollen.
Der Streit eskaliert: Mira beginnt, ihren unnachgiebigen Mann, der Gesichtsverlust und politische Blamage fürchtet, zu hassen und packt die Koffer. Die Wortgefechte, die immer hektischer und handgreiflicher werden, entlarven rassistische Vorurteile zwischen Israelis und Arabern. Untermalt werden sie von bissigen Kommentaren einer deutschen Journalistin: Sie ringt mit den Regeln politischer Korrektheit, wenn sie die brutale Besatzungspolitik Israels im Gaza-Streifen beschreibt.
Gerade zu stoisch wirkt die Witwe Salma (Christiane Rossbach) auf der anderen Seite der Mauer. Sie trotzt der Bedrohung durch den Kommandeur und wagt schließlich, unterstützt von einem jungen Anwalt (Milan Zerzawy), einen Prozess gegen die Minister.
Realistisch, erdig und ohne Schnörkel entlarvt Dedi Baron die rabiate Art des Kommandeurs (Matthias Fuhrmeister), der die Ministervilla bewachen soll. „Jedes Blatt könnte einen Terroristen verbergen“ — Sätze wie dieser belegen, welch absurdes Ausmaß die Angst vor Anschlägen erreicht.
Beherzt und klar formuliert die Regisseurin ihre Kritik an Israels Brachialmethoden. Sie wirkt, ausgerechnet auf einer deutschen Bühne, noch schärfer als im Film. Ob dies Stück auch so in Tel Aviv zu sehen sein wird, ist noch nicht sicher. Hin- und hergerissen schien nach der Premiere der Habima-Chef, der eigens für das deutsch-israelische Theatertreffen an den Rhein gereist war.