Neue Einblicke in Gründgens’ Leben
Der legendäre Intendant starb vor 50 Jahren. Eine neue Biografie zeigt den Menschen hinter den Rollen.
Düsseldorf. Es ist das Protokoll eines Todes, mit dem Thomas Blubacher seine Biografie „Gustaf Gründgens“ beginnt. Orte, Uhrzeiten, Beteiligte — alles akribisch genau zusammengetragen. Der Theaterwissenschaftler und Journalist will aufräumen mit jahrzehntelangen Spekulationen. „Geschichten von einem homosexuellen Ritualmord sind unhaltbare Gerüchte.“ Er dokumentiert, was am 7. Oktober 1963 im Manila-Hotel auf den Philippinen passiert ist, nachdem Jürgen Schleiß, der 24-jährige Liebhaber, Gründgens bewusstlos im Badezimmer auf dem Boden fand. Der berühmte Theatermann, ein deutscher Mythos, hinterließ an diesem Abend seine letzte Notiz: „Ich habe glaube ich zu viel Schlafmittel genommen, mir ist ein bisschen komisch. Laß mich ausschlafen.“
Zu seinem 50. Todestag in diesem Jahr gibt das sorgfältig recherchierte, gut geschriebene und mehr als 400 Seiten umfassende Werk einen Lebens-Überblick, ohne sich im Detail zu verlieren. Blubacher liefert mehr als die Fakten: Er hat mit vielen Zeitzeugen gesprochen, mit Marianne Hoppe etwa, der Frau von Gustaf Gründgens, oder auch mit Charles Brauer, der sieben Jahre unter ihm als Intendant am Hamburger Schauspielhaus arbeitete. So schafft er es, die gegenwärtigen Bilder vom genialen Schauspieler, vom Nutznießer im Dritten Reich und vom einzigartigen „Hamlet“- und „Mephisto“-Darsteller um persönliche Züge zu bereichern. Blubacher veröffentlicht Fotos aus dem Düsseldorfer Theatermuseum, die Gründgens — akkurat gekleidet wie immer — bei einem Kamelritt in Ägypten zeigen. „Es gibt hunderte Aufnahmen von ihm auf der Bühne, aber solche Schnappschüsse sind sehr rar“, erklärt der Biograf.
Gemeinsam mit dem auch als „Tatort“-Kommissar populär gewordenen Brauer stellt Blubacher am Samstag, 16. Februar, um 19.30 Uhr im Kleinen Haus seinen „Gustaf Gründgens“ vor.
Blubacher nennt ihn „einen deutschen Nationalspieler“, zu dem nicht nur seine legendären Auftritte gehören, sondern auch seine vielen Krankheiten und Eitelkeiten, der kleine Stoffaffe, ein Talisman seit Kinderzeiten, oder, dass immer wieder Vorstellungen ausfallen mussten, weil der unter Medikamenten lallende Gründgens nicht mehr spielen konnte. „Ich kratze nicht an seinem Denkmal, wenn ich davon berichte, dass in seiner Garderobe eine Sauerstoffflasche stand oder er viele Vorstellungen nur durchhielt, wenn ihm zwischendurch der Arzt eine Spritze gab“, sagt der 45-jährige, promovierte Theaterwissenschaftler. Es gehe ihm um den Menschen.
Gründgens verbinde Theater und Geschichte im 20. Jahrhundert wie kein zweiter: Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittes Reich und Adenauer Ära — an seiner Figur lasse sich viel erklären. Seine Briefe und Texte seien auch heute noch faszinierend. Er habe gewusst, wie man ein Theater organisiert und finanziert. Als er sich in Düsseldorf 1951 mit der Stadtverwaltung anlegt, weil er sein Haus als eigene Gesellschaft führen will, droht Gründgens zu gehen. Die Düsseldorfer Theaterfans waren außer sich. Ein Stadtverordneter nannte die öffentlichen Plakat- und Protestaktionen damals eine „Goebbels’sche Propaganda“. Blubacher: „Aber die Stadt wusste auch, was sie an diesem Mann hatte. Bei Gründgens war die Bude voll. Die haben damals mit ihm und dem Theater richtig Geld verdient.“