Feuilletönchen – Die Kulturkolumne Neuer Anlauf für das „Einheitsmerkmal“
Die Stadt nahm vom Künstler Thomas Schönauer ein Kunstwerk zum Geschenk an, das an den Fall der Mauer vor 30 Jahren erinnern soll, als Einheitsmerkmal. Doch bei der Annahme des Geschenks wurden viele Fehler gemacht, in der Politik, bei den Lobbyisten und bei den Künstlern.
Der kapitalste Fehler besteht in der fehlenden Fachkompetenz. Kunst will von Fachleuten beurteilt werden, das hat nichts mit Geschmack oder einer politischen Meinung zu tun.
Um Fehlurteile bei der Wahl von Kunst auszuschalten, wurde die Kunstkommission berufen, und zwar von der Politik. Sie wäre gut beraten, wenn sie ihr auch folgen würde. Gerade bei einem Einheitsmerkmal ist es unlogisch, wenn man sich gegenseitig die Köpfe einschlägt. Ein Geschenk ohne Debatte durch den Rat zu peitschen, ist im Ansatz verfehlt.
Die Diskussion über den ideellen Wert von Schönauers Entwurf hat nicht stattgefunden. Schönauer meint lediglich, man solle die Skulptur von oben nach unten lesen, beginne also in luftiger Höhe bei zwei starren, gespaltenen Blöcken, habe in der Mitte die „dynamischen Wirren der Wiedervereinigungsphase“ und im unteren Drittel ein Quadrat für „die Universalität der vier Himmelsrichtungen“. Wer erinnert sich da an den Fall der Mauer?
Eine hohe Stele kann ein Obelisk wie ein Phallussymbol sein. Nicht zufällig bohrt sich Schönauers Werk wie eine Schraube in den Himmel. Das sind klassische Zeichen der Macht. Kriegstreiber denken so, wenn sie ihre Raketen starten. Die Erinnerung aber wird abgestellt auf ein Betonteil auf quadratischem Fundament.
Schönauer machte den Fehler, dass er die Diskussion scheute. Die meisten Politiker behaupteten, die Kunstkommission lehne nur ab, weil die dortigen Künstler neidisch sind, dass sie nicht selbst zum Zuge kommen. Vielleicht aber gab es sogar Fehler bei der Kunstkommission. Sie ist nämlich derart überlastet und derzeit auch noch allzu schwach besetzt, mit einem Vorsitzenden in Berlin, der ja nur eingesprungen ist. Die Künstler sollten sich daher einen bezahlten Fachmann in ihre ehrenamtlichen Reihen holen. Anschließend sollten Künstler, Politiker und Schenkende diskutieren, am besten nach der Wahl.