Sie bleiben bis 2022 Intendantin des Tanzhauses. Das ist eine Verlängerung um zwei Jahre, regulär wären wahrscheinlich vier Jahre. Wie kam es zu diesem Umstand?
Interview „Die Mitarbeiter stehen eindeutig hinter mir“
Düsseldorf · Interview Um die Vertragsverlängerung von Tanzhaus-Intendantin Bettina Masuch gab es einige Verwirrung. Unserer Zeitung erklärt sie die Lage.
Bettina Masuch: Am 17. Januar hatte ich ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden des Träger-Vereins und seiner Stellvertreterin, die mir die Nichtverlängerung meines Vertrags über Dezember 2020 hinaus bekannt gegeben haben. Dieser Umstand hat mich deshalb kalt erwischt, da es vorher keinerlei Hinweise vonseiten des Vorstandes gab. Daraufhin habe ich unsere wichtigsten Förderer, den Düsseldorfer Kulturdezernenten, die Kulturamtsleiterin und die Referatsleiterin für Theater und Tanz des Landes Nordrhein-Westfalen informiert. Zudem habe ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informiert. Dies hatte einerseits zur Folge, dass sich Vertreter von Kulturamt und Ministerium konstruktiv in den Prozess zwischen mir als Intendantin und dem sechsköpfigen Vorstand eingeschaltet haben. Zugleich haben sich die mehr als 40 festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses gegenüber Vorstand und den Vertretern der Kulturverwaltung eindeutig positioniert. Sie haben ihre Empörung über die Nichtverlängerung meines Vertrages kundgetan und ein Gespräch des Vorstandes mit der Belegschaft gefordert. Ein Gesprächsangebot hat die Belegschaft erst 18 Tage später erhalten, als bereits eine Vielzahl von Informationen in der Öffentlichkeit waren.
Was heißt in diesem Fall eindeutig?
Masuch: Eindeutig meint, dass sich alle festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter loyal und solidarisch hinter mich gestellt haben.
Wie kam es schließlich zu der Vertragsverlängerung?
Masuch: Am 5. Februar gab es eine erste Sitzung mit mir und dem Vorstand – bis dahin hatte der Vorstand auch mit mir kein Gespräch gesucht. In dieser Sitzung wurde beschlossen, dass mir eine Vertragsverlängerung bis Sommer 2022 angeboten wird.
Wurden Ihnen Erklärungen gegeben, wieso man nicht beabsichtigt hat, Ihren Vertrag zu verlängern? Welche war die Argumentation des Vorstandes?
Masuch: Ja, Fragen der Kommunikation zwischen Vorstand und Intendanz sowie recht diffus die Mitarbeiterführung betreffend.
Wie erklären Sie sich, dass sich alle festangestellten Mitarbeiter derart eindeutig hinter Sie gestellt haben, obwohl es derartige Fragen gegeben haben soll? Wie passt das zur Argumentation des Vorstands?
Masuch: Eine kluge Frage.
Lassen Sie uns zu den Ergebnissen zurückkehren.
Masuch: Wir haben uns geeinigt, dass ich meine Intendanz fortführe. Dies habe ich der Belegschaft so mitgeteilt und sie darum gebeten, diese für uns alle sehr absorbierenden Turbulenzen abzuschließen und als Herausforderung zu nutzen, um die erfolgreiche Arbeit des Hauses, an der ja viele Menschen, ein wunderbares Team etwa, maßgeblich beteiligt sind, weiterzuführen
Bedeuten die zwei Jahre, dass Sie danach das Haus verlassen oder hängt es von den Entwicklungen ab, ob Sie noch weitermachen könnten? Ist es klar, dass währenddessen schon eine Nachfolge gesucht wird?
Masuch: Dies wurde in dem Gespräch am 5. Februar offengelassen. Die Frage einer Strukturreform des Hauses steht im Raum. Das könnte heißen, dass die Struktur des gemeinnützigen Vereins durch die einer gemeinnützigen GmbH abgelöst wird. Zeitgleich könnte man fragen, ob das Intendanten-Modell für eine Kulturinstitution im 21. Jahrhundert noch funktioniert. Es gibt mittlerweile an vielen Häusern Debatten über andere Formen von Leitungsmodellen, beispielsweise eine Doppelspitze, oder viel radikalere Konzepte. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass ich weitermache.
Können Sie sich denn persönlich vorstellen, auch über die zwei Jahre hinaus weiterzumachen?
Masuch: Das Haus hat ein immenses Potenzial, mit einer großen – auch politischen – Anerkennung in dieser Stadt, in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus. Die in Aussichtsstellung der großen Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten bezeugen das. Wir sind als Haus für den Tanz in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir haben sowohl ein künstlerisches Programm, als auch einen großen Kurs- und Workshopbereich, der Amateure jeden Alters sowie professionell tätige Tanzschaffende einlädt. Das Haus ist ein Prototyp einer Kulturinstitution des 21. Jahrhunderts, weil wir verschiedenste Zugänge zu Tanz anbieten, weil es Hoch-, Sub- und Soziokultur unter dem Dach eines Hauses versammelt. Uns alle eint die Liebe zur Kunstform Tanz. Das würde ich gerne weiterhin verteidigen.
Sind wie auch immer geartete atmosphärische Störungen zwischen Akademie und Bühne nur Gerüchte? Die Akademie braucht keine Angst davor zu haben, an Bedeutung zu verlieren?
Masuch: Überhaupt nicht. Die Bereiche Akademie, Bühne und Junges Tanzhaus sind für mich gleichberechtigt und daran wird sich auch zukünftig nichts ändern. Das ist die DNA dieses Hauses. Schon seit einem Jahr suchen wir sehr viel stärker die Verbindungen zwischen Akademie und Bühnenprogramm.
Was haben Sie sich als Intendantin für die nächsten zwei Jahre vorgenommen?
Masuch: Die Tatsache, sich bei den neuen Residenzkünstlern, den sogenannten Factory-Artists des Tanzhauses NRW, für Tanzschaffende aus Nordrhein-Westfalen zu entscheiden, war mir wichtig. Ein Bekenntnis zu Düsseldorf und Nordrhein-Westfalen, ein Bekenntnis zu herausragendem Tanz der freien Szene. Wir können mit Stolz auf das schauen, was hier passiert. Dies noch sichtbarer zu machen, ist eine große Aufgabe; genauso wie etwa das inklusive Arbeiten, das ja gerade im Tanz mit seinen Zuschreibungen von jung, fit und schön so wichtig ist.
Und Sie ganz persönlich?
Masuch: Was ich in den vergangenen Wochen gelernt habe, ist, dass es darum geht, Haltung zu zeigen. Ich glaube, dass ein Haus wie das Tanzhaus NRW Haltung verkörpern muss, sowohl in seiner Programmatik als auch bei seiner Kommunikation. Wir mischen uns ein.
Was möchten Sie zukünftig besser machen?
Masuch: Ein Haus mit so vielen unterschiedlichen Menschen braucht eine ganz hohe Kommunikationskompetenz. Ich denke, da ist noch Luft nach oben.